Barclays-Deutschlandchefin Hengster für paneuropäische Bankfusionen aufgeschlossen
Um US-Banken die Stirn zu bieten, braucht Europa nach Worten von Ingrid Hengster große Fusionen. Als Zuspruch für eine Commerzbank-Übernahme will sie das nicht verstanden wissen.

Im Streit über eine etwaige Übernahme der Commerzbank durch die italienische Rivalin Unicredit zeigt sich Barclays-Deutschlandchefin Ingrid Hengster für grenzüberschreitende Zusammenschlüsse aufgeschlossen. Europäische Großbanken seien im Vergleich zu US-Banken „ganz klein“, sagte sie in der zurückliegenden Woche im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW). „Das engt unsere Spielräume ein.“ Früher oder später seien paneuropäische Bankenfusionen naheliegend. „Es wäre wichtig, diesen großen, globalen amerikanischen Häusern etwas Großes, Globales entgegensetzen zu können.“
Zwar sei eine grenzüberschreitende Fusion schwierig, doch sei das Potenzial großer Zusammenschlüsse innerhalb nationaler Grenzen begrenzt. Je größer eine Bank sei, desto mehr Eigenkapital stehe zur Verfügung, desto höhere Kredite seien möglich, desto leichter lasse sich eine umfangreiche Konzerninfrastruktur aufbauen. Bereits vor einem Jahr hatte sich DZ Bank-Chef Cornelius Riese über eine etwaige Commerzbank-Übernahme positiv geäußert.
Doch die 64-jährige Managerin ist erfahren genug, um ihre Worte zugleich einzuschränken: Zur Commerzbank selbst könne sie keine Aussage treffen. So hat Barclays Anteile an der Commerzbank gesichert und war damit nach Medienberichten auch im Auftrag von Unicredit tätig. Aus Sicht von Hengster ist die britische Großbank in ihrem Urteil zu einer Übernahme befangen. Aktuell besitzt Unicredit 26,0% der Aktien und hat sich weitere 3,3% der Anteile durch Finanzinstrumente gesichert.
„Willkommenskultur“ für Banken
Die ehemalige KfW-Vorständin und Deutschlandchefin der Royal Bank of Scotland – heute Natwest – mahnt mehr Entschlossenheit in der Werbung für den Finanzplatz Frankfurt an. Nach der Brexit-Entscheidung 2016 sei der Wettbewerb in Europa unterschätzt worden. Amsterdam, Mailand und Paris hätten Banken mit diversen Vergünstigungen gelockt. Die gebürtige Österreicherin wirbt für eine „Willkommenskultur“, eine zügige Visavergabe für Fachkräfte und eine positive Haltung gegenüber Banken und Kapitalmärkten.
Für Banken sei es wichtig, sich lediglich auf bestimmte Geschäftsfelder zu konzentrieren. So hat Barclays das deutsche Geschäft mit Kreditkarten an die österreichische Bawag verkauft – für Hengster ein naheliegender Schritt, weil das Geschäft auch Investitionen erfordert, Barclays aber jenseits der USA und Großbritannien nicht über die ausreichende Masse in dem Segment verfügt. Das Geschäft passt nach ihren Worten eher zu einer Bank, die wie die Bawag auf Massengeschäft mit privaten Kunden ausgerichtet ist.
Im Investment Banking in Deutschland beansprucht Hengster, die im Konzern auch als Global Chairman für
auftritt, einen Marktanteil von etwa 5% statt zuletzt 3,7%. Ungefähr im Jahr 2027 oder 2028 wolle die Bank das Ziel erreichen. Auch wolle Barclays zu den großen US-Adressen aufschließen. Ehrgeizige Pläne also – ein bisschen Andrea Orcel steckt auch in Hengster.