Barclays – Hengster greift jetzt im Firmenkundengeschäft an
In ihrer Zeit als KfW-Vorständin für das inländische Fördergeschäft der Staatsbank stand Ingrid Hengster öfter im Rampenlicht der breiten Öffentlichkeit und im Austausch mit der Berliner Politik. Diese Erfahrung im öffentlichen Bankensektor sei für sie ein „unglaublicher Schatz“, berichtet die seit Anfang 2022 amtierende Deutschland-Chefin der britischen Großbank Barclays bei ihrem Besuch in der PLATOW-Redaktion.

Die Zeit bei der KfW habe ihr Verständnis für die öffentliche Wirkung von Banken geschärft. Doch auch nach ihrer Rückkehr in den privaten Bankensektor gilt die Österreicherin als einer der wenigen weiblichen Fixsterne am Finanzplatz Frankfurt, die bei aller geschäftlichen Zielstrebigkeit stets auch Empathie und gesunden Optimismus ausstrahlt.
Als Hengster ihren Posten als Deutschland-Chefin von Barclays antrat, kam sie mit dem Auftrag, die Bank im deutschsprachigen Raum neu zu positionieren und auf Wachstum zu trimmen. 5% Marktanteil über alle Bankprodukte und ein Platz unter den Top fünf Auslandsbanken in Deutschland gab Hengster, die auch als Global Chairman Investment Bank und im EMEA Management-Team tätig ist, als Zielmarken für 2025 aus. Schon bald nach ihrem Amtsantritt verzahnte Hengster das Investmentbanking mit dem ebenfalls wachsenden Firmenkundengeschäft. Aktuell beschäftigt Barclays im Corporate Banking in Frankfurt um die 50 Mitarbeiter.
Im Einklang mit der Strategie der britischen Konzernmutter soll nun auch das hiesige Geschäft mit den Unternehmenskunden verstärkt ausgebaut werden, kündigte Hengster an. Abgesehen hat sie es dabei v. a. auf die großen deutschen Unternehmen, aber auch auf innovative Start-ups, die eines Tages womöglich an die Börse streben. Viele Finanzunternehmen und Fintechs wickeln ihr Euro-Clearing über Barclays ab.
Als sichtbares Zeichen der wachsenden Bedeutung der Corporate Bank wechselt die bisher in der Dubliner EU-Zentrale – deren rechtlicher Sitz von Irland nach Paris verlegt werden soll – stationierte Europa-Firmenkundenchefin Helen Kelly an den Main. Insbesondere bei der Begleitung deutscher Unternehmen nach Großbritannien, die USA, Indien und weitere asiatische Märkte kann Barclays Deutschland auch auf das internationale Netzwerk des Konzerns zurückgreifen. So werde Barclays in den USA als vollwertige Investmentbank angesehen. In der Finanzkrise übernahm Barclays große Teile des amerikanischen Investmentbanking-Geschäfts der kollabierten US-Investmentbank Lehman Brothers.
Trotz Gegenwinds von den Kapitalmärkten habe Barclays beim Ausbau des M&A-Geschäfts im laufenden Jahr einen „großen Sprung nach vorne“ gemacht. Im Oktober rangierte die Bank auf Platz vier in der deutschen M&A-Rangliste, auch wenn die geringe Anzahl an Transaktionen die Aussagekraft etwas verzerrt, wie Hengster einschränkt. Bei Kunden und Wettbewerbern werde Barclays mittlerweile als relevante Adresse in der M&A-Beratung wahrgenommen, freut sich Hengster. Dabei profitiert Barclays von der in Frankfurt aufgebauten M&A-Expertise in den Bereichen Energie/Utilities, Öl und Gas, Chemie sowie Logistik. Stärken will Hengster jetzt v. a. die Sektoren Telekommunikation und Technologie.
Erwartungsgemäß einsilbig gab sich Hengster mit Blick auf den Verkauf des deutschen Kreditkarten- und Ratenkredit-Geschäfts von Barclays, für das sich neben Warburg Pincus und Centerbridge auch Crédit Agricole und Bawag interessieren sollen. Der Verkaufsprozess sei „gut unterwegs“, ließ Hengster lediglich verlauten. Ebenfalls noch nicht abgeschlossen ist die Suche nach einem Nachfolger für DACH-Investmentbanking-Chef Sven Baumann, der im Sommer nach nur eineinhalb Jahren bei Barclays zur US-Investmentbank Jefferies wechselte. Im Auswahlprozess seien sowohl interne als auch externe Kandidaten, bestätigte Hengster. fm/ck