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Chinesische Investoren auf Einkaufstour in Europa

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Chinas Wirtschaft steht am Beginn eines Internationalisierungsprozesses. Die Anlage der chinesischen Devisenüberschüsse in US-Staatsanleihen wird riskanter. Viele europäische Unternehmen haben Finanzierungsschwierigkeiten oder Nachfolgeprobleme. Was liegt da näher als die Umleitung eines Teils der Finanzanlagen in produzierendes Vermögen in Europa? Deutschland steht dabei ganz oben auf der Liste. Weiteres Wachstum ist angesagt, meint Christof von Dryander, Partner bei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton in Hongkong.

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Mit politischem Rückenwind richten chinesische Investoren ihren Blick auf Europa. Dort ist das Investitionsklima offener als in den USA, wo einige chinesische Technologieunternehmen in den letzten Jahren mit ihren Akquisitionsvorhaben abgeblitzt sind. Das Interesse der Chinesen richtet sich neben dem immer noch wichtigen Wissenstransfer zunehmend auf Marktzugangschancen für die eigenen Produkte. Zielobjekte sind vor allem Unternehmen des Mittelstands, die eine weniger komplexe Corporate-Governance-Struktur haben als börsennotierte Gesellschaften.

Vor allem Staatskonzerne als Käufer

Bisher spielen die großen chinesischen SOEs (state-owned enterprises) im Auslandsgeschäft die erste Geige, denn sie haben leichteren Zugang zu Kapital und bekommen politische Unterstützung. Die SOEs vereinen immer noch nahezu 50% der chinesischen Wirtschaftsleistung auf sich. Allerdings interessiert sich auch der stetig wachsende Privatsektor zunehmend für Investitionen im Ausland. In manchen Fällen arbeiten private oder staatliche Industrieunternehmen mit Private-Equity-Investoren zusammen, um sich die Erfahrung ihres Partners zunutze zu machen und die Finanzierung der Transaktion zu erleichtern. Ein Hindernis für die Ausweitung dieses Partnerschaftsmodells ist allerdings das Interesse des Private-Equity-Investors an einem gesicherten Ausstieg (Exit) mit einer Mindestrendite, was nach Integration der Zielgesellschaft in den Konzern des Erwerbers zumeist nur über komplexe Andienungsrechte (Put) zugunsten des Private- Equity-Partners möglich ist.

Transaktionskomplexität in Europa überraschend

Der Umgang mit den chinesischen Käufern erfordert Geduld. Dabei führen nicht nur sprachliche und kulturelle Barrieren zu Missverständnissen. Chinesische Unternehmer und Manager sind oft erstaunt über die Komplexität der europäischen Rechtsvorschriften, insbesondere im Arbeits-, Aufenthalts- und Gesellschaftsrecht. Die umfangreiche, zumeist englischsprachige Vertragsdokumentation und die langwierigen Verhandlungsprozesse sind für viele Neuland. So verbringt der juristische Berater schon einmal etliche Tage im chinesischen Hauptquartier des Mandanten, um mit Hilfe seiner chinesischen Anwaltskollegen die Struktur und Konzeption eines international üblichen Anteilskaufvertrags sowie das Zusammenspiel der einzelnen Vertragsteile zu erklären. Chinesische Mandanten sind detailorientiert. Sie sind aber auch lernfähig. Oberflächliche Erklärungen reichen zumeist nicht aus, sondern der Mandant möchte tief in die Materie einsteigen.

Langwierige Prozesse in China

Geduld erfordern auch die chinesischen Entscheidungsprozesse. Die Entscheidungsträger nehmen häufig nicht an den Verhandlungen teil. Vor allem die SOEs haben sehr hierarchische Strukturen. Nicht selten gehen auf den langen Entscheidungswegen wichtige Nuancen der Transaktion verloren. Hinzu kommen die öffentlich-rechtlichen Genehmigungserfordernisse. Chinesische Unternehmen benötigen die Zustimmung verschiedener chinesischer Behörden für nahezu alle ausländischen Investitionsvorhaben. Das Zustimmungserfordernis gilt allerdings grundsätzlich nicht, wenn die Investition durch eine bereits bestehende ausländische Gesellschaft erfolgt. Viele chinesische Unternehmen haben daher Töchter oder auch Holding-Gesellschaften „offshore“, also außerhalb von China.

Die wichtigste Genehmigungsbehörde für Auslandsinvestitionen ist die National Development and Reform Commission (NDRC). Je nach Größe und Art der Investition muss die lokale oder zentrale NDRC-Verwaltung zustimmen. Der endgültige Genehmigungsantrag kann erst nach Unterzeichnung der Verträge gestellt werden. Eine informelle Vorabklärung des Projekts ist jedoch möglich. Die Genehmigung der State Administration of Foreign Exchange (SAFE) ist erforderlich, um die für die Finanzierung der Investition notwendigen ausländischen Devisen zu beschaffen. Zusätzliche Genehmigungen sind bei Investitionsvorhaben im Finanzsektor erforderlich. Da die Abläufe und Dauer der chinesischen Genehmigungsverfahren für die ausländische Vertragspartei undurchsichtig sind, ist es ratsam, entsprechende Bedingungen und Fristen in die Verträge aufzunehmen.

Ausblick

Die Internationalisierung der chinesischen Wirtschaft wird fortschreiten. Chinesische Unternehmen werden zunehmend im globalen M&A-Geschäft mitmischen. Sie haben die dazu erforderlichen Mittel und brauchen ausländische Unternehmen, um sich Zugang zu lokalen Märkten zu verschaffen und globale Marken aufzubauen.

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