Das „Ja, aber“ der kleinen Genossenschaftsbanken zur BVR-Reform
Mit Wohlwollen, aber auch mit etwas Skepsis blickt die IG Genobanken auf eine Stärkung der BVR-Sicherungseinrichtung. Im Interview sagen die Bundessprecher, worauf es ihnen ankommt.

Vor der geplanten Reform der BVR-Sicherungseinrichtung stellen die kleinen und mittleren Volks- und Raiffeisenbanken ihre Zustimmung in Aussicht, mahnen aber vor zu weitreichenden Umstellungen: „Ein dezentrales System braucht Solidarität der Gemeinschaft. Und dazu ist auch ein zentrales Risikomanagement nötig, weil das System sonst nicht funktionieren würde“, sagt Hendrik Freund, Bundessprecher der Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken (IG Genobanken), im Interview mit PLATOW.
Zugleich bekräftigt die Interessengemeinschaft den Ruf nach ausgewogenen Änderungen. „Das regionale Unternehmertum muss erhalten bleiben“, sagt der stellvertretende Bundessprecher Jörg Porsche. „Wir stellen nicht das System insgesamt infrage“, ergänzt Markus Urban, ebenfalls stellvertretender Bundessprecher. Ein starker Fokus auf Problemfälle im Sektor stört die Interessenvertreter. „Fast alle Banken machen einen ausgezeichneten Job“, sagt Freund. „Wir sollten uns nicht zu sehr von Einzelfällen leiten lassen.“ Er will die Pläne nicht als „Reform“, sondern als „Änderungen eines bewährten Systems“ verstanden wissen.
„Über Details reden wir später“
Die Stärkung der BVR-Sicherungseinrichtung umfasst mehrere Schritte: So arbeitet der Verband an den Mechanismen im Umgang mit anderen Akteuren wie DZ Bank und Prüfungsverbänden. Für einige Änderungen braucht der Verband allerdings das Okay der Mitgliederversammlung, die im Jahr 2026 erneut zusammentritt. So will der Verband für die Vertreter der Sicherungseinrichtung ein Recht auf Teilnahme und Wortmeldung in Aufsichtsratssitzungen und Vertreterversammlungen festhalten. Ebenso ist ein Mechanismus vorgesehen, um von Problembanken höhere Beiträge zur Sicherungseinrichtung einfordern zu können.
Die konkreten Pläne muss der Verband noch mit den Banken diskutieren. Der BVR betont dabei, es komme auf eine richtige Balance an. Ob die Pläne zur Sicherungseinrichtung stimmig sind, könne er aktuell noch nicht beurteilen, sagt IG-Bundessprecher Freund. „Wir begrüßen, dass der BVR an der Grundstruktur der Gruppe festhält. Über Details reden wir später.“
Aufgeschlossen zeigt sich die Interessengemeinschaft für eine Verschlankung von Gremien wie dem Verbandsrat – eine Reform, die BVR-Präsidentin Marija Kolak bisher vage angekündigt hat. „Aus unserer Sicht ist es richtig, über die Struktur nachzudenken“, sagt Freund. Die einzelnen Banken sollten aber fachbezogen eingebunden werden. „Wir sollten die Themen trennen und in Fachgremien bearbeiten.“
Vorfreude auf schlanke Kapitalberichtspflicht
Positiv äußert sich die Interessengemeinschaft über BaFin und Bundesbank, die für kleine Banken vereinfachte Berichtspflichten zur Kapitalquote anstreben. „Es ist ein sehr konsequenter Schritt zum Bürokratieabbau und würde zu einer deutlichen Entlastung führen“, sagt der stellvertretene Bundessprecher Urban. Die Aufsicht habe erkannt, „dass viel Regulierung nicht immer gute Regulierung ist“.
Sofern Banken sich für vereinfachte Berichtspflichten entscheiden, müssen sie nach Vorschlag der Aufsicht zwar eine höhere ungewichtete Quote (Leverage Ratio) ausweisen. Das sei für „einen Großteil unserer Banken umsetzbar“, sagt Urban – eine Einschätzung, die sich auch mit der umfassenden Bilanzanalyse von PLATOW deckt.
Kampf um Mitglieder
„Vernachlässigt“ haben einige Banken allerdings die Suche nach neuen Mitgliedern, wie der stellvertretene Bundessprecher Porsche einräumt. „Doch das Thema erfährt eine Renaissance.“ Eine Verbundheit zur Region sei vielen Menschen „als Gegengewicht zur Globalisierung“ wichtig. Die Finanzgruppe verliert seit 2018 Jahr für Jahr Mitglieder, auch wenn das Bild von Bank zu Bank unterschiedlich ausfällt.
Die Genossenschaftsbanken sind zwar vielstimmig, allerdings haben wenige Institute besonders viel Gewicht. Die Konzentration ist beinahe so groß wie im Lager der Sparkassen.
Die Interessengemeinschaft vertritt die Institute am anderen Ende der Größenskala: So leitet Freund die Raiffeisenbank im Grabfeld im nördlichen Bayern in der Region Main-Rhön, die mit einer Bilanzsumme von 179 Mio. Euro auf Rang 595 der deutschen Genossenschaftsbanken steht. Urban und Porsche sind jeweils Vorstand bei nahezu gleichgroßen Banken: Urban gehört zur Volksbank Raiffeisenbank Ammergäu in Rotenburg am Neckar (684 Mio. Euro, Rang 360), Porsche zur Volksbank Gescher (681 Mio. Euro, Rang 361), die im Westmünsterland nahe der Niederlande ihr Geschäft betreibt. Am kommenden Mittwoch (15. Oktober) treffen sich die Vertreter der kleinen und mittleren Genossenschaftsbanken zur Mitgliederversammlung in der Akademie deutscher Genossenschaften in Montabaur.
Lesen Sie hier das vollständige Interview:
Der BVR will die Sicherungseinrichtung und ihre Befugnisse stärken. Verbandspräsidentin Marija Kolak spricht von einer „richtigen Balance aus zentralem Risikomanagement und dezentraler Verantwortung“. Gelingt das?
Freund: Das ist uns über viele Jahrzehnte bereits gelungen, sonst gäbe es die genossenschaftliche Gruppe heute nicht. Jetzt passt der BVR die Regeln erneut an. Er nimmt sich Zeit dafür und bindet auch die kleineren und mittleren Banken ein. Das finden wir gut.
Konkret strebt der BVR an, das Statut der Sicherungseinrichtung zu erweitern. Dazu gehört etwa ein Recht auf Teilnahme und Wortmeldung sowie höhere Beiträge nach einer Verletzung von Sorgfaltspflichten. Wie stehen Sie zu den Plänen?
Freund: Ein dezentrales System braucht Solidarität der Gemeinschaft. Und dazu ist auch ein zentrales Risikomanagement nötig, weil das System sonst nicht funktionieren würde.
Urban: Wir reden über Elemente, die wir anpassen wollen, aber wir stellen nicht das System insgesamt infrage. Der Zusammenhalt ist eine riesige Stärke in unserer Gruppe. Insgesamt verfügen wir über eine sehr solide Eigenkapitalbasis und sind gut aufgestellt.
Porsche: Das regionale Unternehmertum muss erhalten bleiben. Das ist auch Konsens in der Gruppe. Die Entscheidungen fallen also auch künftig vor Ort.
Die BVR-Sicherungseinrichtung verzeichnet mehrere Stützungsfälle und auch darüber hinaus haben viele Banken Probleme. Ist es da nicht höchste Zeit für eine Reform?
Freund: Wir stehen nicht vor einer Reform, sondern vor Änderungen eines bewährten Systems. Fast alle Banken machen einen ausgezeichneten Job. Auch das sollte gesehen werden, wenn wir über Stützungsfälle reden. Wir sollten uns nicht zu sehr von Einzelfällen leiten lassen.
Sind Sie also zufrieden mit den Plänen?
Freund: Es ist zu früh, um das zu beurteilen. Wir begrüßen, dass der BVR an der Grundstruktur der Gruppe festhält. Über Details reden wir später. Das werden wir in der genossenschaftlichen Gruppe 2026 demokratisch entscheiden.
Große Institute mit vielen Mitgliedern haben auf der BVR-Mitgliederversammlung dabei genauso viel zu sagen wie kleine Institute. Ist das Prinzip „Eine Bank, eine Stimme“ angemessen?
Freund: Das Prinzip einer Genossenschaft kennt keine anteiligen Kapitalrechte, sondern jedes Mitglied hat das gleiche Stimmrecht, egal ob armer Schlucker oder Millionär. Dieses Prinzip ist auch innerhalb der Gruppe wichtig. Jede Genossenschaft hat eine Stimme.
Die apoBank ist mit einer Bilanzsumme von 51,8 Mrd. Euro so groß wie die 224 kleinsten Genossenschaftsbanken zusammen. Sollte sich das nicht auch im Stimmrecht widerspiegeln?
Freund: Wenn Sie das zu Ende denken, gäbe es in ein paar Jahren einige wenige große Banken, die alle anderen gnadenlos überstimmen könnten. Das widerspricht dem Erfolgsmodell einer vielstimmigen Bankengruppe, die überall in Deutschland vertreten ist.
Auch kündigt der BVR an, „Gremienstrukturen und Entscheidungswege im genossenschaftlichen Verbund kritisch zu beleuchten und wo nötig zu verändern“. Wie stehen Sie dazu?
Freund: Aus unserer Sicht ist es richtig, über die Struktur nachzudenken. Die Gremien wurden schon lange nicht mehr in die Hand genommen. Die Gruppe hat sich im Laufe der Jahre massiv verändert. Nach Zusammenschluss der Volksbanken und Raiffeisenbanken in einem Verbund im Jahr 1972 waren wir noch 7.096 Banken. Heute sind wir 672. Das sollte auch in der Gremienstruktur widerspiegeln.
Sind kleinere Volks- und Raiffeisenbanken in dem Gremium angemessen vertreten?
Freund: Wir wünschen uns, dass die Gremien nach Größenunterschieden so aufgestellt sind, wie die Gruppe auch insgesamt dasteht. Das ist nicht überall der Fall. Hier sollte nachgesteuert werden.
Allein im BVR-Verbandsrat sitzen inklusive Stellvertreter annähernd 100 Mitglieder. In einem kleineren Rat wären viele Banken nicht mehr vertreten.
Freund: Die Strukturen lassen sich vereinfachen, ohne Banken auszuschließen. Wir sollten die Themen trennen und in Fachgremien bearbeiten. Da reden wir über Regulierung, über Vertrieb, über neue Produkte und den Wettbewerb durch Fintechs, und, und, und. Auf diese Weise können sich viele einbringen, ohne übergroße Gremien unterhalten zu müssen.
Die BaFin verspricht, kleinere Banken zu entlasten. Ist das Schall und Rauch?
Urban: Mein Eindruck ist ein anderer. Die BaFin hat sehr wohl erkannt, dass viel Regulierung nicht immer gute Regulierung ist.
BaFin und auch Bundesbank wollen kleinen Banken ermöglichen, künftig nur noch die Leverage Ratio zu melden – ohne die zusätzlichen gewichteten Kapitalquoten. Wie stehen sie dazu?
Urban: Wir sehen diesen Vorschlag der Aufsicht sehr positiv. Es ist ein sehr konsequenter Schritt zum Bürokratieabbau und würde zu einer deutlichen Entlastung führen. Die Bedingung einer guten Kapitalausstattung ist sachgerecht und für den Großteil unserer Banken umsetzbar.
Allerdings verzichtet die Aufsicht damit auf eine Informationsquelle zur Kapitalausstattung.
Urban: Ich bin überzeugt, dass die Stabilität unseres Finanzsystems nicht geringer wird. Dieser ersparte Aufwand ist im Eigenkapital unserer Banken besser aufgehoben.
Viele Vorgaben kommen aus Europa. Das kann auch die BaFin nicht einfach ändern.
Urban: Die Aufsicht muss hier dicke Bretter bohren, kann aber auch viel erreichen. Nach unserem Eindruck ist die BaFin gewillt, sich hier einzusetzen.
Nicht nur die Regulierung, auch der Wettbewerb setzt Banken zu. Können kleine Banken gegen Digitalbanken und Neobroker bestehen?
Porsche: Die Fintechs machen ihre Sache gut. Sie konzentrieren sich auf ein Produkt, das sie richtig gut machen. Aber wir haben den Vorteil, dass wir sowohl digital als auch persönlich da sind. Und diese Kombination ist vielen Menschen sehr wichtig. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal.
Mehr und mehr Finanzgeschäfte lassen sich digital erledigen. Schwindet der Vorteil einer Genossenschaftsbank?
Porsche: Das denke ich nicht. Sicherlich kaufen viele Menschen mal eine Aktie oder einen ETF ohne Beratung. Aber wenn es darauf ankommt, wollen sich die meisten Menschen absichern, und zwar in einem persönlichen Gespräch.
Erreichen Volks- und Raiffeisenbanken die Menschen noch? Seit 2018 sinkt die Zahl der Mitglieder.
Porsche: Das Werben um neue Mitglieder haben manche Banken vernachlässigt. Doch das Thema erfährt eine Renaissance. Viele Menschen sehen ihre Verbundenheit mit der Region als ein Gegengewicht zur Globalisierung. Das spricht auch junge Menschen an.
Freund: Das gilt auch für die Raiffeisenbank im Grabfeld, für die ich tätig bin. Seit 17 Jahren, die ich die Bank als Vorstand begleite, haben wir noch kein Rückgang der Mitgliederzahl gesehen. Jedes Jahr machen wir eine Aktion: Raus in den Wald, Bäume pflanzen. Da kommen Kinder und Jugendliche. Das Interesse ist groß. Regionalität ist vielen wichtig. Das ist unsere Stärke.
Urban: Auch künftig werden wir junge Menschen erreichen. Da bin ich zuversichtlich. Die Begegnung auf Augenhöhe, das faire Miteinander, das ist vielen sehr wichtig. In Projekten mit jungen Menschen, ob in Schule oder beim Gewinnsparen, merken wir eine hohe Resonanz.
Kämpfen müssen Genossenschaftsbanken auch um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Viele scheiden in den nächsten Jahren altersbedingt aus.
Porsche: Personalsuche funktioniert über Mundpropaganda. Wenn eine Bank als guter Arbeitgeber wahrgenommen wird, spricht sich das in der Region herum. Deshalb finden wir laufend neue Mitarbeiter. Es gibt aber einige Schlüsselpositionen, die wir im Blick behalten müssen.
Urban: Viele Leute wollen in Organisationen arbeiten, wo man sich noch untereinander kennt, wo man sich einbringen und etwas bewegen kann. Wenn wir damit werben, werden wir auch weiterhin einen guten Zulauf haben.
In der Finanzgruppe arbeiten nur sehr wenige Frauen in Vorständen. Warum?
Freund: Ganz so eindeutig ist das Bild nicht. Der BVR zählt in der Spitze zwei Frauen und einen Mann. Die DZ Bank kommt auf drei Frauen und fünf Männer. In der Atruvia sehen wir zwei Frauen und einen Mann. In der Finanzgruppe gibt es also längst sehr viele Managerinnen in erster Führungsebene.
Anders sieht es aber in den meisten Primärbanken aus. Warum gibt es hier in den Vorständen kaum Frauen?
Freund: Als wir in unserer Bank zuletzt eine Vorstandsposition ausgeschrieben haben, bewarben sich ausschließlich Männer. Wir müssen also schon vorher ansetzen, nicht erst in der ersten Führungsebene. Der Knackpunkt liegt in der Lebensphase der Familiengründung. Da müssen wir als Branche flexibel sein. Bei uns in der Bank zählen wir in der zweiten Führungsebene übrigens drei Frauen und einen Mann. Wir haben sie nicht befördert, weil sie Frauen waren, sondern weil sie – wie auch ihr männlicher Kollege – jeweils die Besten waren.