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Der Rückzug von der Börse wird leichter

Für Investoren und börsennotierte Unternehmen haben sich die Spielregel seit dem FRoSTA-Beschluss des Bundesgerichtshof (BGH II ZB 26/12) geändert. Damit gab der BGH vergangenen Oktober seine Macrotron-Rechtsprechung auf, nach der dem Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung ein Hauptversammlungsbeschluss vorgehen musste und den Minderheitsaktionären ein Pflichtangebot zu unterbreiten war, das nach den Regeln des Spruchverfahrens überprüfbar sein musste. Stephan Ulrich, Partner bei Simmons & Simmons, erläutert die neuen Rahmenbedingungen für den Rückzug von der Börse und gibt einen Ausblick auf das erwartete Effecten-Spiegel-Urteil.

10. Juni 2014

Bislang hieß es, Delisting stelle einen Eingriff in die durch Art. 14 GG geschützten Eigentumsrechte der Aktionäre dar. Dem wurde stets entgegnet, dass durch ein Delisting oder Downlisting lediglich die Verkehrsfähigkeit der Aktie betroffen sei und die Maßnahme daher nur wertbildenden Charakter habe. Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2012 entschieden hat, dass „der Widerruf der Börsenzulassung für den regulierten Markt den Schutzbereich des Eigentumsrechts des Aktionärs nicht berührt“, sah der BGH nunmehr keinen Anlass, die Macrotron-Rechtsprechung aufrecht zu erhalten. Auch aus anderen Vorschriften ergebe sich nicht die Zuständigkeit der Hauptversammlung oder die Pflicht, ein Barabfindungsangebot zu unterbreiten. Eine analoge Anwendung von § 207 UmwG, nach dem der formwechselnde Rechtsträger den Anteilsinhabern ein Barabfindungsgebot zu machen hat, komme nicht in Betracht. Denn durch ein Delisting oder Downlisting seien „die grundlegende Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft oder die Beteiligungsrechte […] nicht betroffen“. Das Erfordernis eines Pflichtangebots folge ebenso nicht aus § 243 Abs. 2 Satz 2 AktG., da es bei der Vorschrift nicht nur um einen angemessenen Ausgleich und nicht um eine Abfindung gehe, sondern es sich bei der Entscheidung über den Rückzug auch um eine Geschäftsführungsmaßnahme handele und dafür die Geschäftsführungsbefugnis beim Vorstand läge. Auch § 29 Abs. 1 Satz 1, 2. Fall UmwG, der vorsieht, dass bei der Verschmelzung einer börsennotierten auf eine nicht börsennotierte Gesellschaft ein Abfindungsangebot zu machen ist, begründe nicht, „dass der Wechsel aus dem regulierten Markt in jedem Fall zu einer Abfindung führt.“ Eine Gesamtanalogie zu gesetzlichen Regelungen anderer gesellschaftsrechtlicher Strukturmaßnahmen (§§ 305, 320b, 327b AktG, §§ 29, 207 UmwG) sei ebenfalls nicht zu bilden. Der Widerruf der Börsenzulassung sei keine Strukturmaßnahme und ähnele ihr auch nicht. Da der Rückzug von der Börse sich auch nicht unter den in § 119 AktG genannten Rechten der Hauptversammlung befindet, bestehe auch keine Pflicht, einen entsprechenden Beschluss herbeizuführen. Der Schutz der Anleger sei daher in § 39 Abs. 2 Satz 2 BörsenG ausreichend geregelt. Danach darf der Widerruf der Zulassung zum Handel im regulierten Markt nicht dem Schutz der Anleger widersprechen. Werden die Anleger in der Verwaltungspraxis durch die jeweilige Börsenordnung nicht ausreichend geschützt, sei dem mit verwaltungs- und aufsichtsrechtlichen Mitteln zu begegnen.

Die Börsenordnungen

Die Voraussetzungen für einen Rückzug sind in den verschiedenen Börsenordnungen sehr unterschiedlich ausgestaltet. Das führt dazu, dass beim Rückzug von mehreren Börsen vorher eine taktische Reihenfolge der Widerrufsanträge festzulegen ist.
§ 46 Abs. 2 der BörsO für die Frankfurter Wertpapierbörse sieht z. B. vor, dass der Widerruf der Zulassung auf Antrag des Emittenten erst sechs Monate nach dessen Veröffentlichung wirksam wird, wenn die Aktien nicht noch an anderen Plätzen zum Handel zugelassen sind. Hingegen sieht § 56 Abs. 4 der BörsO der Börse Düsseldorf vor, dass in diesem Fall ein ermächtigender Hauptversammlungsbeschluss ergangen ist und der Mehrheitsaktionär den Aktionären ein den Anforderungen des § 31 WpÜG genügendes Kaufangebot unterbreitet hat. Auch nach dem FRoSTA-Beschluss hat die Börse Düsseldorf ihre Regeln insofern ausdrücklich beibehalten. Zur Begründung führt sie an, dass man abweichend vom BGH die Beobachtung gemacht habe, dass die Ankündigung des Börsenrückzugs durchaus zu einem regelmäßigen Absinken des Kurses um etwa 10% führt. Dass es vor der BGH-Entscheidung nicht zu einem Nachgeben des Börsenpreises bei entsprechender Ankündigung gekommen sei, sei lediglich darauf zurückzuführen, dass die Preise damals noch von den obligatorisch abzugebenden Kaufangeboten gestützt wurden. Eine Stärkung des Anlegerschutzes sei der Börse Düsseldorf zufolge schon deshalb erforderlich, weil es nach aktueller Rechts- und Rechtsprechungslage keine Möglichkeit gebe, die Entscheidung des Vorstands, ein Totaldelisting durchzuführen, rechtlich überprüfen zu lassen. Aufgrund der FRoSTA-Rechtsprechung sind entsprechende Anträge im Spruchverfahren nunmehr unstatthaft.

Effecten-Spiegel vs. Deutsche Bank

Will man aus der FRoSTA-Entscheidung ableiten, dass sich der BGH künftig in Bereichen, in denen eine bestimmte gesetzliche Regelung nicht besteht, nicht als Gesetzgeber gerieren oder will man gar einen Trend zu verringertem Minderheitenschutz bei Aktionären erkennen, könnte schon deshalb zu vermuten sein, dass die Chancen der Klage des Effecten-Spiegels gegen die Deutsche Bank wegen unterlassenen Pflichtangebots im Zusammenhang mit der Übernahme der Postbank als gering anzusehen sind. Allerdings würde auch ohne Bezug auf FRoSTA eine negative Entscheidung für den Effecten-Spiegel keinen Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung darstellen.

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