Deutsche Firmen ziehen immer mehr aktivistische Investoren an
Deutschland war dabei nach UK sogar die zweitgefragteste Region für Aktivisten mit einem Anteil von rund 20%, wie die neueste Auswertung der US-Investmentbank Lazard ergab. Der Anteil hat sich ggü. dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Besonders drei Branchen gerieten dabei ins Visier: die klassische Industrie, das Gesundheitswesen und der Finanzsektor. Auf sie entfielen mehr als 50% der Kampagnen. Der berühmt-berüchtigte US-Investor Elliott war global gesehen auch 2023 wieder mit großem Abstand der „aktivste Aktivist“.
Investoren wie Elliott setzen bei der Suche nach Investitionszielen bei der Kapitalmarkt-Performance an. Ist der erzielte TSR (Total Shareholder Return) über einen bestimmten Zeitraum im Vergleich zum Markt und zu Vergleichsunternehmen (Peer Group) schlechter, werden entsprechende Unternehmen auf die Long List gesetzt. Wenn zusätzlich die Summe der Einzelteile eines Unternehmens deutlich über der aktuellen Börsenbewertung liegt, wird es grundsätzlich für Aktivisten interessant. Und wenn dann noch eine Lösung zur Beseitigung des Bewertungsabschlags identifiziert werden kann, ist die Mischung perfekt, und die Firmen rücken schließlich auf die Short List.
Über 50% der Kampagnen von Aktivisten stehen daher im Zusammenhang mit Fusionen und Übernahmen (M&A), wie z. B. Abspaltungen oder Veräußerungen von Vermögenswerten. „Besonders anfällig für Aktivismus sind diversifizierte Unternehmen – unabhängig von ihrer Größe, Sektor-Ausrichtung oder Aktionärsstruktur“, erklärt Christian Kames, Co-Head für die DACH-Region bei Lazard Financial Advisory, ggü. PLATOW. Viele Unternehmen unterschätzten nach wie vor die Möglichkeit, für aktivistische Investoren interessant zu werden – auch, weil sich die Aktienkurse vielfach noch auf einem hohen Niveau befinden, fügt er hinzu.
Im 2. Halbjahr 2023 kam es zu einer deutlichen Erholung am Aktienmarkt und folglich einer spürbaren Belebung bei den Aktivisten: In Europa gab es in der 2. Jahreshälfte 2023 74 neue öffentliche Kampagnen, verglichen mit 39 im Vorjahreszeitraum. Das zeigt der neueste „Activist Alert“ des Beratungshauses Alvarez & Marsal (A&M). In Deutschland ereigneten sich im Gesamtjahr 40 Kampagnen, das war in etwa so viel wie schon 2022.
„Die Korrelation zwischen der Entwicklung von Aktienmärkten und der Anzahl aktivistischer Kampagnen ist nichts Unerwartetes“, erklärt Patrick Siebert, Co-Deutschlandchef bei A&M. Das sich aufbauende Momentum des 2. Halbjahres 2023 dürfte sich 2024 weiter verstärken, erwartet er. Der Markt rechne mit fallenden Zinsen und einer Wiederbelebung an M&A-Aktivitäten. „Die Pipelines aktivistischer Fonds konkretisieren sich. Auf vier Branchen gilt es zu achten: Industrials, Consumer, Technology und Healthcare“, so Siebert.
Deutlich wird: Aktivistische Kampagnen sind inzwischen zu einer attraktiven und wachsenden Anlageklasse geworden, auch in Europa. „Im deutschen Markt dürften ebenso etliche Unternehmen im Visier sein. Aktivisten sind mit dem rechtlichen Rahmen für Aktionäre vertraut und treffen inzwischen auf eine grundsätzliche Aufgeschlossenheit inländischer wie ausländischer Investoren für ihre Thesen und Kampagnen“, erläutert Sebastian Bladt, Leiter des deutschen M&A-Geschäfts bei JPMorgan.
Firmen bleibt da eigentlich nur, sich bestmöglich auf solche Angriffe vorzubereiten. „Eine Vielzahl von Unternehmen hat ihre Abwehrkräfte in den vergangenen Jahren bereits deutlich gestärkt und ist somit weit besser vorbereitet als in der Vergangenheit“, resümiert Bladt. ck