Banken

Europäische Regelung befördert betrügerische Auslandsinsolvenz

"

Kreditgebende Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken und mittelständische Gläubiger sind die Geprellten. Aus heiterem Himmel erfahren sie, dass ihr Schuldner seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt und dort ein Insolvenzverfahren angemeldet hat. Nach relativ kurzer Zeit ist der Schuldner dann wieder im Lande und verweist auf seine Restschuldbefreiung nach dem Statut des ausländischen Insolvenzrechts, die dann auch im Inland wirksam ist.

"

Möglich wird dies durch die Europäische Insolvenzverordnung (EUInsVO). Danach ist ein Insolvenzverfahren da zu eröffnen, wo der Schuldner seinen „Center of Main Interest“ (COMI) hat – und das ist bei natürlichen Personen in der Regel der Wohnsitz, der „nach außen hin“ relativ leicht gewechselt werden kann, eben auch ins Ausland. Folge ist schon seit einiger Zeit eine lebhafte – und unseriöse – Beratungsindustrie um das Geschäft des so genannten „Insolvenz-Tourismus“. Dabei wird eine Art „Rundum-Sorglos“-Paket geschnürt, das aus der angeblichen Verlegung des Wohnsitzes in einen anonymen Apartmentblock und der formularmäßigen Anmeldung und Abwicklung des Insolvenzverfahrens besteht.

Bevorzugtes Ziel ist dabei Großbritannien. Das englische Recht gilt wegen einer Restschuldbefreiung nach nur einem Jahr geradezu als Paradies. „Der Haken bei der Sache ist“, soKlaus U. Eyber, Partner der internationalen Sozietät Kaye Scholer in Frankfurt, „dass der Wohnsitz natürlich nur zum Schein verlegt wird. Die Regelungen zur Untersuchung der Zuständigkeit des Insolvenzgerichts sind aber von Land zu Land sehr unterschiedlich. Insbesondere in England findet bei Insolvenzeröffnung keine Prüfung statt, ob der Schuldner dort tatsächlich seinen Wohnsitz hat.“

Die Handhabung der deutschen Gerichte mit diesen „betrügerischen Auslands-Insolvenzen“ ist höchst unterschiedlich. Während beispielsweise das Landgericht Köln in einem Fall von Rechtsmissbrauch ausgeht und die Anerkennung der ausländischen Restschuldbefreiung versagt, betont das Oberlandesgericht Nürnberg, dass die fehlende Zuständigkeit bei Scheinverlegung des Wohnsitzes nur vor dem Insolvenzgericht im Ausgangsstaat geltend gemacht werden kann. Und ein solches Verfahren kann auch in England jahrelang dauern. „Auch wenn es hart ist – juristisch ist die Lösung der Nürnberger Richter die richtige““, so Eyber. „Die Gläubiger müssen sich also die Mühe machen, den Nachweis zu erbringen, dass der Schuldner sich gar nicht im Ausland befindet, sondern seinen beruflichen und privaten Geschäften unverändert in Deutschland nachgeht. Und dann müssen sie ihre Rechte eben vor dem ausländischen Insolvenzgericht geltend machen. Das bindet Zeit, Geld und Ressourcen und ist auch wegen der Sprachbarrieren nicht immer einfach“.

Einen Notnagel gibt es aber doch: Hat der Schuldner noch Vermögen im Inland, kann ein so genanntes Sekundärinsolvenzverfahren beantragt werden, mit dem aber nur das Inlandsvermögen des Schuldners beschlagnahmt wird. Das setzt voraus, dass man Inlandsvermögen nachweisen kann. Gelingt es aber, dass Sekundärverfahren zu eröffnen, gelten wieder die deutschen Regelungen zur Restschuldbefreiung, was den vermeintlich schlauen Plan des Schuldners vereitelt. „So oder so – der Gläubiger kommt um eigen-initiative Ermittlungen nicht herum““, so Eyber. „Der Schuldner hat mit seinem Vorhaben nur dann Erfolg, wenn der Gläubiger untätig bleibt.“

Ob die zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform dieses Defizit beseitigen kann, darf bezweifelt werden. Danach haben gescheiterte Unternehmer und Verbraucher künftig schon nach drei Jahren statt bisher nach sechs Jahren die Chance, von ihren Restschulden befreit zu werden – allerdings u.a. nur, wenn sie eine Mindestbefriedigungsquote erfüllen und die Verfahrenskosten bezahlen. „Die schwarzen Schafe wird man durch verbesserte Konditionen der Schuldentilgung nicht motivieren, gute Menschen zu werden““, meint Eyber. „Eine Restschuldbefreiung von nur einem Jahr in England ist einfach zu verlockend.“

Abonnieren Anmelden
Zur PLATOW Börse