ING vergrault Einlagensparer mit Zinssenkung
Kaum streicht die ING die Zinsen zusammen, ziehen die Kunden Milliarden vom Konto ab – so wie im dritten Quartal. Die Zinsempfindsamkeit hat aber auch eine positive Seite für die Bank.

Ein Einlagenschwund von 8,3 Mrd. Euro auf 157,2 Mrd. Euro allein im dritten Quartal, also ein Minus von 5% – so viel ist selbst für den Direktbankriesen ING in Deutschland ungewöhnlich. In keinem Jahresviertel seit Beginn der Zeitreihe 2017 floss so viel Geld aus dem deutschen Retailsegment ab. Anderswo verzeichnete der niederländische Konzern hingegen allenfalls geringe Abflüsse, im Massengeschäft in den Niederlanden sogar leichte Zuflüsse, wie die Quartalszahlen von Donnerstag (30.10.) zeigen.
Die deutschen ING-Kunden reagieren sensibel auf Zinsen: Den regulären Einlagenzins für das Tagesgeldkonto („Extra-Konto“) senkte die ING im Mai von 1% auf 0,75%. Damit nicht genug. Ein Lockangebot von rechnerisch 3% auf Jahressicht, gewährt allerdings nur für vier Monate, lief zur Jahresmitte aus. Die Konkurrenz schlief nicht. So stieg die spanische BBVA zur Jahresmitte mit einem Kampfzins von ebenfalls 3% in Deutschland ein.
Es ist allerdings bereits der zweite große Abgang von Einlagen bei der ING binnen weniger Jahre. Im Startquartal 2022 sank das Volumen um 7,3 Mrd. Euro auf damals 127,8 Mrd. Euro, ein Minus von ebenfalls rund 5%. Damals hatte die ING die Anleger mit Negativzinsen vergrault, ehe sie die Zinsen rasch anhob.
Zinsüberschuss sprudelt
Die geringen Zinsen im Einlagengeschäft wirken sich aber positiv auf die Erträge aus. Der Zinsüberschuss der ING im deutschen Retailgeschäft kletterte im dritten Quartal im Vergleich zum zweiten Jahresviertel um 9% auf 648 Mio. Euro, liegt aber gleichwohl unter dem hohen Wert des Vorjahres, als im dritten Quartal 690 Mio. Euro erreicht worden waren.
Auch haben Kunden einen Teil der Mittel, die sie vom ING-Konto nahmen, nach Angaben der Bank in Investmentprodukte geschoben. Die Provisionserträge blieben mit 135 Mio. Euro auf dem hohen Niveau des Vorquartals. Im Vergleich zum dritten Quartal 2024 sind sie sogar um ein Drittel gestiegen.
Deutsche Bank abgehängt
Mit einem Vorsteuergewinn von 355 Mio. Euro wirft das Privatkundengeschäft in Deutschland aber nur halb so viel ab wie in den Niederlanden mit 701 Mio. Euro. Der gesamte ING-Konzern fuhr über alle Sparten 2,56 Mrd. Euro vor Steuern ein und damit einen Schnaps mehr als die Deutsche Bank, die am Mittwoch 2,45 Mrd. Euro für das dritte Jahresviertel auswies.
Umgekehrt fließt aber auch viel Geld herein, sobald die Zinsen steigen: 15,3 Mrd. Euro (plus 10%) kamen bei der ING Deutschland allein im Startquartal an. Im März durchbrach die Bank dabei auch die schon vor vielen Jahren ausgerufene Sehnsuchtsmarke von 10 Mio. Kunden. Einen Einlagenzuwachs von 16,1 Mrd. Euro (plus 12%) erzielte die Bank zudem im zweiten Quartal 2023, auch damals waren hohe Zinsen der Anlass. Kein Zweifel: ING-Sparer beherrschen Prozentrechnung.