Karlsruhe haut Sparkasse die Zinsberechnung um die Ohren
Die Kreditwirtschaft reibt sich an Urteilen des Bundesgerichtshofs – und widerspricht zuweilen deutlich. In einer weiteren Entscheidung zum Prämiensparen zeigt sich Karlsruhe verärgert.

„Einfacher nachvollziehbar“ und „fair“ habe die Sparkasse Nürnberg die Zinsen in uralten Prämiensparverträgen berechnet, wie Sparkassenchef Matthias Everding deutlich macht. Doch wie erwartet hält der Bundesgerichtshof (BGH) an seiner bisherigen Rechtsprechung fest und verwirft erneut die Methode, mit der Sparkassen über Jahre hinweg gerechnet hatten (Az. XI ZR 29/24). Auf die Sparkasse Nürnberg kommen jetzt Nachzahlungen an etliche Kunden zu. Das Musterverfahren zählt mehr als 3.000 Einträge im Klageregister, wie der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) festhält.
Die Richter in Karlsruhe scheinen verärgert. Wieder und wieder hatten sie festgehalten, dass der Abstand zwischen Vertragszins und Referenzzins nicht „absolut“, sondern „relativ“ berechnet werden müsse, wenn in uralten Verträgen eine konkrete Klausel zur Zinsberechnung fehlt. Doch nicht nur die Sparkassen sehen das kritisch. Auch das Bayerische Oberste Landesgericht gab der Sparkasse Nürnberg im Februar 2024 in diesem Punkt recht (Az. 101 MK 1/20). Damit stellte sich das Münchener Gericht gegen Karlsruhe – ein ungewöhnliches Urteil im hierarchischen Justizsystem.
Donner aus Karlsruhe
Der Ärger der BGH-Richter tritt in der Mitteilung deutlich hervor. Karlsruhe verweist auf die eigene „ständige Rechtsprechung des Senats“ und nimmt für sich in Anspruch, eine „objektiv-generalisierende Sicht“ erkannt zu haben, die für die „typischen Vorstellungen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss“ entscheidend sei. Und weiter: „Die Gegenauffassung verkennt, dass es vorliegend um eine für die Vertragsparteien angemessene Zinsanpassung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung geht und nicht um eine ‚streng mathematische Lösung‘.“ Reichlich Donner aus Karlsruhe.
Das Nein war allerdings erwartbar. Die Richter im Senat sind heute überwiegend dieselben wie im Jahr 2021, als der BGH die Rechnung mit absoluten Zinsabständen für Prämiensparverträge verwarf und sich damit gegen die verbreitete Praxis der Sparkassen stellte (Az. XI ZR 234/20). Der Senat wird von Jürgen Ellenberger geführt, der als Vizepräsident in Karlsruhe ohnehin eine Autorität unter Robenträgern ist. Neben der Entscheidung zum Prämiensparen sorgte auch das AGB-Urteil des Senats im Jahr 2021 für Aufsehen.
Sparkasse deutet Ergebnis positiv
Erwartbar ist auch die Reaktion der Sparkasse, die sich „in wesentlichen Punkten“ bestätigt sieht: Denn laut dem Urteil ist der Referenzzins zulässig, mit dem die Sparkasse kalkuliert. Es handelt sich um die Umlaufrendite für Bundeswertpapiere mit einer Laufzeit von 8 bis 15 Jahren. „Die Forderungen des VZBV waren weit von der Realität entfernt und haben bei Sparenden falsche Erwartungen geweckt.“ Auch sind Ansprüche von Kunden, die sich nicht der Musterklage angeschlossen haben, mittlerweile in der Regel verjährt.
Unklar ist, wie hoch die Last für die Sparkasse Nürnberg ausfällt. Bereits im Jahresabschluss für 2021 hatte das Institut auf verschiedene Rückstellungen in Höhe von 74 Mio. Euro hingewiesen, darunter „unter anderem Beträge im Zusammenhang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit von Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen“.
Da allerdings nur wenige Kunden geklagt haben – den gut 3.000 Einträgen im Klageregister stehen mehr als 20.000 gekündigte Altverträge gegenüber –, dürfte die Last viel geringer ausfallen. Auch sind weitere Regeln zur Zinsnachberechnung weniger einschneidend als nach der ursprünglichen Methode der Verbraucherzentralen. Der Streit trifft auch andere Sparkassen weniger hart als befürchtet, wie wir im Mai berichtet haben.
Die Sparkasse Nürnberg macht auf unsere Nachfrage allerdings keine Angaben zu der voraussichtlichen Höhe der Nachzahlungen. Man kommuniziert lieber relativ, nicht absolut.