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Kopftuchverbot am Arbeitsplatz

Können private Arbeitgeber Musliminnen verbieten, bei der Arbeit ein Kopftuch zu tragen? Dafür hat die Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Vorlageverfahren aus Belgien plädiert: Sofern in einem Unternehmen gar keine Zeichen eines politischen oder religiösen Bekenntnisses erlaubt sind, könne der Arbeitgeber auch das Tragen des Kopftuchs untersagen. Der EuGH schließt sich in vielen Fällen den Schlussvorträgen an. Hätte das Urteil dann auch Folgen für deutsche Arbeitgeber? Martin Römermann von SKW Schwarz Rechtsanwälte geht dieser Frage im Folgenden nach.

Geklagt hatte eine Muslimin, die nach drei Jahren Tätigkeit als Rezeptionistin in einer belgischen Firma bei ihrer Arbeit künftig ein Kopftuch tragen wollte. Die Arbeitgeberin lehnte dies unter Hinweis auf das Verbot religiöser, politischer oder philosophischer Symbole im Betrieb ab und kündigte der Frau. Diese klagte auf Schadensersatz wegen Missbrauchs des Kündigungsrechts; das belgische Gericht legte die Sache dem EuGH vor (Rs C-157/15).

Das Tragen eines religiös motivierten Kopftuchs zu verbieten, kann durchaus eine mittelbare Diskriminierung sein. Nach Auffassung der Generalanwältin beim EuGH ist dies jedoch gerechtfertigt, um eine vom Arbeitgeber verfolgte Politik der religiösen und weltanschaulichen Neutralität durchzusetzen. Allerdings greift auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Größe und Auffälligkeit des religiösen Zeichens, die Art der Tätigkeit der Arbeitnehmerin und ihr Kontext sind dabei ebenso von Bedeutung wie die nationale Identität des Mitgliedsstaats. Auch wenn der EuGH den Schlussanträgen in seiner Entscheidung folgt, wird das belgische Gericht also im konkreten Fall eine Abwägung vornehmen müssen.

Religionsfreiheit schlägt Privatautonomie

Ein Kopftuchverbot im Betrieb hat auch deutsche Gerichte beschäftigt. Für den Arbeitgeber in Deutschland wird das Verbot des religiös motivierten Kopftuchs nach einhelliger Ansicht für unwirksam erachtet, denn das Kopftuch ist als religiöses Symbol von der in Artikel 4 des Grundgesetzes (GG) garantierten Religionsfreiheit geschützt. Eine durch das Kopftuch motivierte Versetzung, Abmahnung, Nichtberücksichtigung einer Bewerberin etc. verstößt gegen das Benachteiligungsverbot  (§§ 1, 7 Abs. 1 Hs. 1 AGG). Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist es, eine Gesellschaft frei von religiös motivierten Diskriminierungen zu haben. Dahinter sollen auch das unternehmerische Interesse und die Privatautonomie zurückstehen. Allenfalls aus anderen Gründen (bspw. Arbeitsschutz) wird ein Kopftuchverbot als zulässig angesehen.

Religionsgemeinschaften können nach § 9 AGG das Kopftuch als Symbol einer anderen Religion bei bestimmten Arbeitnehmern verbieten. Denn so genannte Tendenzträger sind gegenüber dem Arbeitgeber und seiner Religion zumindest nach außen einer besonderen Loyalität verpflichtet. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entsprechend entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber ihren Mitarbeitern das Tragen anderer konfessioneller Symbole verbieten können: Eine muslimische Krankenschwester bestand darauf, nach der Rückkehr aus dem Mutterschutz bei ihrer Tätigkeit in einem evangelischen Krankenhaus ihr Kopftuch zu tragen. Mit ihrer Klage auf Schadensersatz ist sie in letzter Instanz gescheitert (BAG, Urteil vom 24.09.2014 – 5 AZR 611/12).

Staatliches Neutralitätgebot

Der staatliche Arbeitgeber stützt sein Kopftuchverbot auf das Neutralitätsgebot (Art. 33 Abs. 3 GG). Beschäftigte, die im staatlichen Auftrag handeln, haben sich neutral zu verhalten und sollen entsprechend auftreten. Die Rechtsprechung zu Kopftuchverboten ist gleichwohl vielfältig, da die jeweilige Landesgesetzgebung eine Rolle spielt. Häufig wird dem Kopftuchverbot entgegengehalten, dass der staatliche Arbeitgeber dann auch andere religiöse Symbole wie Kreuze verbannen müsse, um die Neutralität gegenüber jeder Religion zu wahren. Berlin und Nordrhein-Westfalen haben infolgedessen jedwedes getragene Religionsbekenntnis in der Schule verboten. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar geurteilt, dass Lehrerinnen an staatlichen Schulen grundsätzlich ein Kopftuch tragen dürfen (BVerfG, Urt. v. 27.1.2015, Az. 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10). Die Entscheidung war allerdings auch innerhalb des Senats umstritten und dürfte primär als Auftrag an die Landesgesetzgeber zu verstehen sein, das Neutralitätsgebot, das zur Verteidigung des Kopftuchverbotes ins Feld geführt wurde, dann auch gegenüber jeder Religion zu leben.

Fazit

Es bleibt dennoch spannend, wie der EuGH entscheidet. Derzeit ist schwer vorstellbar, dass auch der deutsche private Arbeitgeber unter Verweis auf den Wunsch nach Neutralität im Betrieb ein Kopftuch verbieten können soll. Denn damit könnten die Grundrechte der Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und Handlungsfreiheit im Arbeitsleben dem Wunsch des Arbeitgebers nach Neutralität zum Opfer fallen; ein Neutralitätsgebot gilt nur für den Staat. Auch die Generalanwältin beim EuGH nimmt eine Abwägung vor, bei der sie die europäische Charta der Grundrechte berücksichtigt. Gleichwohl scheint ihr Fokus darauf zu liegen, dass Gleichbehandlung dann über der Religionsfreiheit stehen kann, wenn im Ergebnis alle Religionen quasi gleich schlecht behandelt werden. Dass sich dieses Verständnis bei Anwendung des Grundgesetzes wird durchsetzen können, dürfte allerdings wenig wahrscheinlich sein.

 

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