Neuer Aufschlag für virtuelle Hauptversammlungen
Stein des Anstoßes sind v.a. die ergänzten Frage- und Rederechte, mit denen die aus Präsenz-HVen gewohnten Abläufe in die Virtualität übertragen werden sollen. Während der vergangenen beiden HV-Saisons hatten die Unternehmen zu schätzen gelernt, dass sich die Beantwortung von Aktionärsfragen, die sonst ein umfangreiches Backoffice während der Veranstaltung auf Trab gehalten hatten, ins Vorfeld verlagern ließ und auch der Umfang begrenzt blieb.
Der Gesetzentwurf sieht dagegen u.a. Rede-, Nachfrage- und Antragsmöglichkeiten noch in der laufenden Sitzung vor. Die Folge, so hieß es in der Ausschusssitzung immer wieder, sei hoher Zusatzaufwand, Rechtsunsicherheit und Anfechtungsrisiken. Manche Praktiker sehen das nicht ganz so dramatisch. „Nach den Erfahrungen der letzten Jahre ist es nicht so, dass die Ausübung der Fragerechte durch die Möglichkeit der virtuellen HV-Teilnahme völlig ausufern würde“, meint Sabrina Kulenkamp, Partnerin bei Freshfields Bruckhaus Deringer.
In der Realität, kritisierte nicht nur der Bonner Uni-Professor Jens Koch, werde kaum ein Unternehmen die neuen Möglichkeiten zur Digital-HV nutzen wollen – der Entwurf sei gut gemeint, aber nicht praktikabel. Die Aktionärsseite, etwa der Abgesandte der DSW, freute sich dagegen schon auf „echte Interaktion“ auch im virtuellen Format. Am Ende dürften einige Unternehmen vorangehen, wie bei den erweiterten Live-Fragemöglichkeiten in der HV-Saison 2021 etwa die Deutsche Bank, während die meisten noch abwarten, schätzt Freshfields-Partnerin Kulenkamp. „Mit den Jahren dürfte sich dann ein gängiger Standard herausstellen. Ins Leere laufen wird das Gesetz sicher nicht.“ Bleibt noch abzuwarten, wie die Version aussieht, über die der Bundestag am Ende abstimmen wird. Allzu große Änderungen gegenüber dem aktuellen Entwurf wären allerdings eine Überraschung.