Projektfinanzierung – Wann platzt der Knoten?
Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn auch in der Projektfinanzierung kann es je nach Zuschnitt der geplanten Anlagen derzeit an vielen Stellen hängen, berichten Praktiker. Regulatorische Hindernisse und Regelungen zu Strompreisbremse und Übergewinnsteuer hätten in jüngster Zeit zusätzliche Unsicherheiten mit sich gebracht, sagt Andreas Naujoks, Leiter der Bank- und Finanzrechtspraxis bei Noerr. „Unsicherheiten sind nun einmal der Tod jeder Finanzierung. Wenn diese wegfallen, dürfte der Knoten platzen.“ Andere halten diese Eingriffe für eher nebensächlich, schließlich sind die Zusatzbelastungen inzwischen recht genau kalkulierbar. Die politischen Hängepartien vor der Einführung der Instrumente dürften den Projekt-Pipelines trotzdem nicht gut getan haben. Und mit der Debatte um einen Industriestrompreis ziehen bereits neue Wolken auf.
Dabei hat sich die Finanzierung von Energieprojekten mit dem Wegfall hoher Einspeisevergütungen nach dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) in den vergangenen Jahren ohnehin grundlegend gewandelt, und nicht zum Einfacheren. In Zeiten staatlich garantierter EEG-Einnahmen konnten sich einige Projektfinanzierer eine vertiefte Due Diligence sparen, berichtet Florian Degenhardt, Finanzierungspartner bei White & Case. Die inzwischen übliche Absicherung über langfristige Lieferverträge mit Großabnehmern wie Industriebetrieben oder der Deutschen Bahn (Power Purchase Agreements, PPAs) ist da schon wesentlich komplexer. „Inzwischen muss man bei Projekten die PPAs genau für die Einnahmeseite durchrechnen und Marktrisiken mitigieren, umso mehr, als viele Projekte über eigene Zweckgesellschaften finanziert werden. Das übersteigt die Ressourcen und Möglichkeiten vieler kleinerer Banken oder Sparkassen“, sagt Degenhardt.
Auf diese Weise dürften viele kleinere Akteure gerade in dem Moment aus dem Finanzierungsmarkt herausfallen, in dem sie eigentlich dringend gebraucht würden. Denn auch die bekannten Schwierigkeiten, unter denen die Industrie insgesamt zu leiden hat, befördern diese Tendenz. Höhere Zinsen führen fast automatisch zu einem größeren Eigenkapitalanteil. Mehr Unwägbarkeiten bei Genehmigungen, gestiegene Baukosten und verzögerte Lieferketten bedingten abermals größere Kapitalpuffer, erläutert Degenhardt. „Beides zusammen bedeutet, dass es kleinere Projektträger und -finanzierer schwerer haben.“
Dass die geplanten Baukosten bis zur Fertigstellung teils deutlich steigen können, ist dabei nicht gerade ein strukturell neues Problem, entsprechende Instrumente zur Absicherung sind seit Langem etabliert. „Wenn die schlüsselfertige Übergabe vereinbart wird und die Sponsoren für Zusatzrisiken Eigenkapital nachschießen müssen, halten sich die Unwägbarkeiten für die Kreditgeber in Grenzen. Insoweit nimmt die Bedeutung von Cost Overrun Guarantees immer mehr zu“, erklärt Stefan Kilgus, Finanzierungspartner bei Watson Farley & Williams.
Großprojekten wie Offshore-Windparks schadet die stärkere Verlagerung auf die Eigenkapitalseite und die Hürden für Fremdfinanzierer noch am wenigsten. Spielen hier doch Akteure mit, für die sperrigere Risikoberechnungen und größere Kapitalpuffer kein ernsthaftes Hindernis sind. Auf Eigenkapitalseite stehen dank der Vielzahl hell-, dunkel- und mittelgrüner Fonds nach Artikel 8 und 9 der EU-Offenlegungsverordnung SFDR enorme Mittel zur Verfügung. Für zusätzliches Fremdkapital springen neben Banken immer öfter auch die Debt-Ableger der großen Infrastrukturfonds ein. Nach Beobachtung von White & Case-Partner Degenhardt sind diese aktuell vor allem bei Kreditsummen zwischen 20 und 100 Mio. Euro präsent. Erzeuger wie RWE oder EnBW stemmen einen guten Teil der Finanzierung oft auch aus dem Konzern heraus. Daneben springt gelegentlich, wie vor kurzem bei dem EnBW-Windpark He Dreiht, die EIB ein, die sich ansonsten meist auf Sektoren konzentriert, in denen noch nicht unbedingt marktreife Technologien bereitstehen – Wasserstoff und Geothermie etwa. Die KfW ist ohnehin in fast allen Marktsegmenten präsent.
Und schließlich gibt es noch den Green Bond-Markt, sowohl über Unternehmensanleihen als auch auf dem Weg grüner Project Bonds. „Das Kapital steht für grüne Projekte bereit, die EU-Taxonomie-konform sind“, sagt Degenhardt. Derzeit fehlten eher ausreichende ‚bankable‘ Projekte, die so strukturiert und entwickelt sind, dass man an die Finanzierung gehen könnte.
Notgedrungen ballen sich die derzeitigen Aktivitäten darum zu einem guten Teil bei Bestandsprojekten. „Im Offshore-Wind-Bereich geht es aktuell vor allem um Beteiligungskäufe und Refinanzierungen von Anlagen, die schon im Bau oder in Betrieb sind; komplett neue Projekte gibt es nur begrenzt“, berichtet Watson Farley-Partner Kilgus. Es sei aber absehbar, dass sich das ändern werde. Auch bei kleineren Onshore-Anlagen beobachtet er derzeit eine Konsolidierung, weil besonders Infrastrukturfonds umfangreichere Projekt-Pipelines zusammenkaufen.
Für fossile Energieprojekte – abseits der weiter wichtigen Gaskraftwerke samt Infrastruktur – dürfte die Zeit allmählich abgelaufen sein, der momentan noch anhaltenden Sonderkonjunktur zum Trotz. Nicht von ungefähr wurde etwa der Steag-Konzern vor Beginn des Verkaufsprozesses schon einmal vorsorglich in zwei Hälften geteilt, eine grüne und eine schwarzbraune. Der Interessentenkreis für Letztere ist äußerst übersichtlich. „Was im Energiesektor nicht ESG-konform ist, wird es in Zukunft schwerer haben, an Fremdkapital zu kommen“, ist sich Noerr-Partner Naujoks sicher. Inzwischen, so seine Beobachtung, spielten ESG-Aspekte sogar in Sanierungsgutachten eine wichtige Rolle. Die Richtung ist also ziemlich klar. Fehlt nur noch das passende Tempo. np