Rechtsprechung zu Kick-Backs – Kehrtwende des BGH?
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Schon vor der Finanzkrise hat der BGH über längere Zeit eine tendenziell sehr anlegerfreundliche Linie verfolgt, wenn es um das Thema Anlageberatung ging: Ein Ergebnis dieser Rechtsprechung war, dass Banken dazu verpflichtet sind, ihre Kunden über an sie zurückfließende Rückvergütungen oder Provisionen aufzuklären. Nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung müssen Banken allerdings nicht nur über den Umstand aufklären, dass die Bank Empfängerin der Rückvergütungen ist. Sondern sie muss auch die konkrete Höhe der Rückvergütungen transparent machen. Mit seinem Urteil von Februar 2013 verfestigt sich der Eindruck, dass der BGH möglicherweise eine neue Richtung einschlägt – einen Weg, der den Missbrauch seiner anlegerfreundlichen Rechtsprechung erschwert.
Kenntnis der Provisionshöhe nicht entscheidend
Nach zuvor gegenläufigen Urteilen der Obergerichte hat der BGH am 26.2.2013 entschieden, dass die Verjährung eines Anspruchs gegen eine Bank wegen unterlassener Aufklärung über Rückvergütungen nicht davon abhängig ist, ob der Anleger über die konkrete Höhe der Rückvergütung aufgeklärt wurde (Az.: XI ZR 498/11). Laut der Richter reicht es für den Beginn der Verjährung aus, wenn der Anleger weiß, dass die ihn beratende Bank für den Vertrieb der empfohlenen Anlage eine Rückvergütung erhält. Der BGH argumentiert, dass die Bank den Anleger zwar über Grund und Höhe einer Rückvergütung aufklären muss und es sich daher bei der unterlassenen Aufklärung über die Höhe der Rückvergütung um einen anspruchsbegründenden Umstand handelt. Hiervon habe der Anleger aber bereits schon dann Kenntnis, wenn er weiß, dass die ihn beratende Bank Provisionen für das von ihm getätigte Anlagegeschäft erhält – unabhängig von der Höhe der Provision. Die Sachlage wäre allerdings anders, wenn seitens der Bank zwar Angaben zur Höhe der Rückvergütungen gemacht wurden, diese aber fehlerhaft waren. In diesem Fall glaube der Anleger nämlich, über die Höhe der Rückvergütung pflichtgemäß aufgeklärt worden zu sein – obwohl es ihm eigentlich an der Kenntnis der tatsächlichen Umstände fehlt, aus denen sich die Verletzung der Aufklärungspflicht durch die beratende Bank ergibt.
Banken berufen sich leichter auf Verjährung
Die Bedeutung der Entscheidung des BGH kann kaum hoch genug eingeschätzt werden, und das Urteil wird in der Praxis erhebliche Auswirkungen haben. Kick-Backs waren und sind bei Verkäufen von Anlageprodukten weithin üblich. Das Problembewusstsein auf Seiten der Bank, ihre Anleger über die Zahlungen umfangreich zu informieren, hat sich dagegen erst allmählich entwickelt.
Die bisher in der Stoßrichtung sehr anlegerfreundliche Rechtsprechung bescherte zahlreichen Anlegern bis zurück in die 1990er Jahre gute Chancen auf Schadenersatz bei Verlusten. Bislang konnten vor allem geschädigte Fondsanleger, zum Beispiel von Immobilien-, Medien- und Schiffsfonds, noch viele Jahre nach dem Erwerb der Kapitalanlage erfolgversprechend Schadensersatzklage bei Gericht einreichen mit der Begründung, nicht ordnungsgemäß über die Zahlung von Rückvergütungen aufgeklärt worden zu sein. Mit der zuvor erläuterten Entscheidung wird es für Banken und Sparkassen in Zukunft einfacher, sich auf die Verjährung zu berufen: Für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist reicht es nun nach §§ 195, 199 Absatz 1 BGB aus, wenn die Bank nachweisen kann, dass der Anleger Kenntnis von dem Umstand hatte, dass Rückvergütungen an die Bank erfolgt sind – sei es durch den Verkaufsprospekt, Beitrittserklärungen oder Beratungsprotokolle. Im jetzt entschiedenen Fall reichte es sogar aus, dass der Anleger einräumen musste, Kenntnis von dem Agio gehabt zu haben und auch davon, dass ihm klar war, dass die beratende Bank einen Teil des Agios erhalten würde.
Rudert der BGH langfristig zurück?
Nachdem der BGH mit seinen Entscheidungen über die Pflicht der Anlageberater zur Aufklärung über Rückvergütungen zunächst das Tor für eine große Anzahl von Klagen enttäuschter Anleger gegen ihre Banken weit aufgestoßen hatte, scheint er es mit dieser Entscheidung langsam wieder schließen zu wollen. Insofern kann man gespannt auf die Urteile in der Zukunft blicken, wo sich dann deutlicher herausstellen wird, ob tatsächlich ein „Rollback“ in der „Kick-Back“-Rechtsprechung des BGH zu beobachten ist.
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