Spin-off als Weg der Börseneinführung
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Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht muss für einen Spin-off zunächst der betroffene Geschäftsbereich separiert werden. Soweit dieser Geschäftsbereich noch nicht in einer eigenen Gesellschaft organisiert ist, muss dieser entweder im Wege der Einzelrechtsnachfolge oder durch Ausgliederung (§ 123 Absatz 3 UmwG) auf eine eigene Tochtergesellschaft übertragen werden. Bei der Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge ist im Gegensatz zur Ausgliederung kein Hauptversammlungsbeschluss in den Grenzen der Holzmüller- und Gelatine-Entscheidung des BGH erforderlich, jedoch ist diese in Bezug auf Schuldverhältnisse von der Zustimmung des jeweiligen Vertragspartners abhängig. Dann folgt der eigentliche Spin-off. Hierbei wird die Tochtergesellschaft mit dem zuvor separierten Geschäftsbereich abgespalten (§ 123 Absatz 2 UmwG). Bei der Abspaltung, entweder zur Aufnahme (§ 123 Absatz 2 Nr. 1 UmwG) oder zur Neugründung (§ 123 Absatz 2 Nr. 2 UmwG) werden die neu geschaffenen Aktien an die Aktionäre der Muttergesellschaft nach deren jeweiliger Beteiligungsquote abgegeben. Aus vertraglicher Sicht bedarf es eines Abspaltungs- und Übernahmevertrags, der die Übertragung der Vermögenswerte der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft und die Gewährung der Anteile der Tochtergesellschaft an die Aktionäre der Mutter regelt. Diesem muss die Hauptversammlung der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft mit einer Mehrheit von Dreiviertel des bei Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals zustimmen (§ 65 Absatz 1 UmwG). Darüber hinaus ist ein Spaltungsbericht in Zusammenhang mit der erforderlichen Entscheidung der Hauptversammlung und ein Spaltungsprüfungsbericht, der den Abspaltungsvertrag zum Gegenstand hat, erforderlich. In der Praxis wird zudem ein Grundlagenvertrag zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft geschlossen, der bspw. Haftungsfragen oder die Nutzung von Ressourcen regelt.
Aus kapitalmarktrechtlicher Sicht erfolgt die Zulassung der im Rahmen des Spin-offs neu geschaffenen Aktien in der Regel mittels eines Wertpapierprospekts. Dieser ist durch gewisse Besonderheiten, wie eine ausführliche Darstellung des Spaltungsvorgangs und eine sog. Complex Financial History (die Darstellung der komplexen finanztechnischen Vorgeschichte), gekennzeichnet. Da der Erwerb kraft Gesetzes und insbesondere ohne Zuzahlung im Rahmen der Abspaltung eintritt, begründet die Zuteilung von Aktien im Rahmen des Spin-offs an die Aktionäre der Muttergesellschaft grds. kein öffentliches Angebot gemäß § 2 Nr. 4 WpPG und damit keine Prospektpflicht. Vielmehr ergibt sich eine Prospektpflicht aus der Zulassung der Aktien zum Handel an einem organisierten Markt gemäß § 1 Absatz 1 WpPG. Hierfür bedarf es zwar keines Wertpapierprospekts, wenn gemäß § 4 Absatz 2 Nr. 4 WpPG ein Dokument verfügbar ist, dessen Angaben denen eines Prospekts nach dem WpPG gleichwertig sind. Jedoch stellt der Verschmelzungsbericht nach § 8 UmwG kein gleichwertiges Dokument in diesem Sinne dar, weil diesem wesentliche Inhalte nach § 7 WpPG, wie bspw. Risikofaktoren, fehlen. Zudem macht ein Wertpapierprospekt aus praktischer Sicht Sinn, da dieser zum einen Haftungsprivilegierungen nach §§ 21, 23 WpPG begründet und zudem die Vermarktung der Aktien im Rahmen des Flowback-Managements (Management von abgabewilligen Aktionären und potenziellen Investoren) begünstigt. Vergleichbar zum Übernahmevertrag beim klassischen Börsengang wird zwischen der Muttergesellschaft, der Emittentin und den begleitenden Banken ein Börseneinführungsvertrag geschlossen, der zwar keine Regelungen zur Zeichnung von neuen Aktien und der Platzierung von alten Aktien enthält, jedoch in wesentlichen Punkten dem Übernahmevertrag gleicht.
Die Abspaltung im Wege eines Spin-offs birgt Vorteile im Falle von volatilen Märkten, da die neu geschaffenen Aktien, unabhängig vom Marktumfeld, an die Aktionäre der Muttergesellschaft abgegeben werden und keine neuen Investoren im Markt gesucht werden müssen. So kann sich die Muttergesellschaft in einem Schritt von ihrem Geschäftsbereich trennen. Zudem besteht nicht das Risiko, einen Abschlag auf die zu veräußernden Aktien hinnehmen zu müssen. Die Aktionäre können sich entscheiden, ob sie den in den neuen Aktien enthaltenen Wert durch einen Verkauf an der Börse realisieren wollen.
Demgegenüber ist der Spin-off im Vergleich zum klassischen Börsengang komplexer, da der Dokumentationsaufwand und die Anfechtungsrisiken in Bezug auf erforderliche Beschlüsse der Hauptversammlung auf Ebene der Muttergesellschaft höher sind. Zudem bedarf es eines sog. Flowback-Managements durch Investmentbanken. Die im Wege des Spin-offs erhaltenen Aktien passen nicht zwingend in die Anlagestrategie der Altaktionäre der Muttergesellschaft, wodurch der Börsenkurs unter Druck geraten kann. Durch gezielte Vermarktung und im Wege eines sog. „Reverse Bookbuilding““ versuchen die begleitenden Investmentbanken diesen Umstand auszugleichen.
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