Volksbanken und Sparkassen gehen dem „Sie“ an den Kragen
Carsten, Vorstandssprecher der Volksbank Kurpfalz, mag das „Du“. Das Wörtchen sei ein „echter Gewinn“, schreibt der Manager, der mit Nachnamen übrigens Müller heißt, auf dem Karriereportal Linkedin. Es baue Mauern ab, fördere Vertrauen und stärke die Gemeinschaft – sofern auch die entsprechende Firmenkultur folge. Zwar wird in dem Institut mit Sitz in Heidelberg niemand zum „Du“ gezwungen, sagt der Bankchef. Doch wer mag schon widersprechen? 99% der Belegschaft seien schon „nachhaltig“ überzeugt.
Der Beitrag erlebt Zuspruch, so von Ansgar Käter, Chef der VerbundVolksbank OWL, und Daniel Hirt, Vorstandsmitglied der Volksbank („Gestalterbank“) aus dem deutschen Südwesten. Rund ein Fünftel aller Genossenschaften und Sparkassen pflege eine Duz-Kultur, schätzt Ulrich Thaidigsmann, der Institute zu Strategie und Firmenkultur berät. Seit zwei bis drei Jahren sei das „Du“ im Kommen.
Die lässige Anrede ist in internationalen Häusern ohnehin oft üblich. Das liegt an der englischen Sprache, die nur das „You“ kennt. So ist der Chef der Deutschen Bank für seine Belegschaft als „Christian“ statt nur als „Herr Sewing“ ansprechbar. Doch die Branche ist gespalten: Während sich die Fürsprecher eine einfache und freundliche Kommunikation erhoffen, legen Skeptiker Wert auf höfliche Distanz. Fast niemand aber wolle sich öffentlich zum „Sie“ bekennen, sagt Berater Thaidigsmann – wer will schon altmodisch erscheinen!
Vielleicht denkt Volksbankchef Carsten an seinen Amtskollegen Harald, also an Harald Vogelsang, Chef der Hamburger Sparkasse. Unter seiner Führung verschwand 2016 die Krawattenpflicht, was viele Nachahmer fand. Jetzt geht es vielerorts dem höflichen Personalpronomen an den Kragen.