Der Berliner Bankenmarkt kommt in Schwung und überrascht damit viele
"Berlin, Halleluja Berlin": Trotz des Mangels an großen Vermögen zieht es immer mehr Privatbanken in die Hauptstadt. Woran das liegt und wie hart der Wettbewerb an der Spree ist.

N26, Trade Republic und Revolut – das ist Banking in Berlin. Aber nicht nur. Zum Berliner Bankenmarkt gehören auch die klassischen Privatbanken wie beispielsweise die Weberbank, die Quirin Privatbank, Hauck Aufhäuser Lampe, Bethmann, M. M. Warburg und Berenberg, seit kurzem auch das Bankhaus Metzler und bald die Merkur Privatbank. Sie alle zeigen, dass Berlin nicht nur schrill und digital ist. Berliner Banking kann auch gediegenen Premiumservice. Und die Nachfrage dafür wächst – hoffentlich schneller als das Angebot. Das wünschen sich jedenfalls die Institute, mit denen wir gesprochen haben.
Das war nicht immer so. „Vor 20 Jahren war Berlin tatsächlich ein schwieriger Banking-Standort“, sagt uns Klaus Siegers, seit 2010 Vorstandsvorsitzender der Weberbank, die schon seit mehr als 75 Jahren in Berlin ansässig ist. Der Grund dafür sei die historische Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg. „Das hat sich aber deutlich verändert. Unser Berliner Banking blüht nicht mehr im Stillen und wird durchaus auch von anderen entdeckt“, so Siegers.
Auch Konkurrenten haben Berlin entdeckt
Diese anderen sind beispielsweise die BW-Bank, die vor dreieinhalb Jahren einen weiteren Wealth Management-Standort in Berlin eröffnet hat. Oder die Bethmann Bank, die ihr Team in Berlin ausbaut. Und Metzler, die erst im April dieses Jahres ihr Büro in der Hauptstadt bezogen haben. Auch die Merkur Privatbank berichtet bereits von ersten Personalgesprächen für ihren neuen Standort in Berlin. Und sogar die großen Häuser wie die Commerzbank und die Deutsche Bank suchen gezielt Personal.
Fragt man die etablierten Adressen und die Neuankömmlinge, was den Berliner Private Banking-Markt so spannend macht, sind die Antworten recht eindeutig: die lebendige Start-up-Szene, der starke Immobilienmarkt, die Nähe zur Politik und die wachsenden Vermögen.
Unser Gesprächspartner Siegers nennt noch einen Punkt, der nur indirekt mit der Vermögensverwaltung zu tun hat, Berlin für seine Kunden aber lebenswert macht: die blühende Kulturszene. „Wir haben drei Opernhäuser, zwei Konzerthäuser, 150 Theater, 170 Museen und mittlerweile 23 Sterne-Restaurants“, so Siegers. Und ergänzt: „Die Kunst- und Kulturszene ist ein Magnet, der Menschen aus wirklich allen Teilen Deutschlands anzieht. Auch unsere Kunden schätzen das an Berlin. Da trifft die Vokabel sexy durchaus zu.“
Siegers ist davon überzeugt, dass die Nachfrage nach Private Banking- und Wealth Management-Dienstleistungen in Berlin schneller als das Angebot wächst. Ein Grund dafür sei die „fulminante Start-up-Szene, die am schnellsten wachsende Deutschlands“, aus der sich später der Mittelstand bilden werde. Hinzu komme die zuletzt wieder gestiegene Zahl an Einkommens-Millionären.
Auch Karl Matthäus Schmidt, Vorstand und Gründer der Quirin Privatbank bestätigt uns, dass der Berliner Markt durch Zuzug und Vermögensaufbau sowie Erbschaften wächst. „Aber auch, weil immer mehr Menschen unabhängig und transparent beraten werden wollen“, so Schmidt.
Braucht Berlin unternehmerisches Banking?
Die höhere Nachfrage nach Beratung hat auch das Bankhaus Metzler erkannt. „Der Markt ist nicht gesättigt, er verändert sich lediglich“, sagt der Berliner Standortleiter Marc Schwarzer. „Unsere bestehenden Kunden haben sich gewünscht, direkt vor Ort beraten zu werden“, begründet er den Schritt, eine Repräsentanz in Berlin zu eröffnen. „Bisher gibt es hier kein anderes Bankhaus, das so aufgestellt ist wie wir.“
Ebenfalls überzeugt von ihrer Einzigartigkeit ist die Merkur Privatbank, die noch nicht in Berlin sitzt, einen entsprechenden Standort aber bereits angekündigt hat. „Wir betreiben ein unternehmerisches Banking und genau das braucht Berlin“, sagt Marcus Lingel, Vorsitzender der Geschäftsführung und persönlich haftender Gesellschafter der Bank. Berlin sei ein innovativer und wachstumsgetriebener Markt. „Das sind die gleichen Merkmale, die wir in unserer Bank leben. Was kann besser zu Berlin passen als eine unternehmerische und wachstumsorientierte Bank?“, äußert er sich voller Zuversicht und Selbstbewusstsein.
Berlin ist nicht nur „unternehmerisch und wachstumsorientiert“. Berlin ist auch mitten in Ostdeutschland. Wer nach Vermögensverwaltern und Privatbanken in Erfurt, Leipzig und Dresden sucht, findet nur wenige Anbieter. Obwohl auch dort das Vermögen nach der Wiedervereinigung gewachsen ist. Die dortigen Private Banking-Kunden werden oft noch von den Private Banking-Einheiten ihrer regionalen Sparkassen und Volksbanken betreut. Teilweise auch von Privatbanken, von Berlin aus. „Berlin fungiert als Drehscheibe für Unternehmer- und Familienvermögen aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen“, so Schmidt von Quirin. Seine Bank betreut von Berlin aus Kunden in Leipzig und Dresden, obwohl diese auch ein Büro in Bautzen hat. Dennoch sieht Schmidt diese Städte als eigene Märkte.
Timo Schwietering, Leiter Private Banking beim Bankhaus Metzler, umsorgt ebenfalls Kunden in Leipzig und Dresden, „langfristig können wir uns dort weitere Standorte vorstellen. Gerade im ostdeutschen Raum sehen wir großes Potenzial.“ Berlin habe auch historisch eine „Metropolfunktion für den ostdeutschen Raum“.
Nicht für alle Banken Place-to-be
Doch gibt es auch Stimmen, die dem Berliner Private Banking und Wealth Management weniger Wachstum voraussagen. Dazu gehört beispielsweise das Bankhaus Donner & Reuschel, das weder einen Standort in Berlin hat, noch einen plant. Man sehe die Dynamik in Berlin zwar, nehme diese aber noch als „vorsichtige, punktuelle Entwicklung“ wahr. „Berlin ist noch kein klassischer Markt für Private Banking im engeren Sinne“, so ein Sprecher der Bank. Insbesondere das Wealth Management wachse deutlich langsamer als in Hamburg oder München. „Berlin gilt traditionell als schwieriger Markt für Wealth Management“, so der Sprecher. Es fehle an unternehmerischer Vermögensbildung und mittelständischen Strukturen. „Hinzu kommt der umkämpfte Personalmarkt: es gibt nur wenige verfügbare, gesellschaftlich verankerte Talente in der Hauptstadt.“
Das Personal-Problem bestätigen in Berlin ansässige Banken wie Quirin: „Qualifizierte Beraterinnen und Berater, die unabhängig und empathisch beraten können, sind rar“, sagt etwa Schmidt.
Eine weitere Schwierigkeit sieht die Berliner Vermögensverwaltung Hansen und Heinrich: „Berlin ist noch nicht der „Place-to-be“ für Vermögensverwalter“, so Portfoliomanager Andreas Heinrich. Der Markt werde von Sparkassen und Volksbanken dominiert. „Privatbanken spielen eher eine eher untergeordnete Rolle.“ Ein Grund dafür: Noch gebe es in Berlin eher kleine und mittlere Vermögen, deren Betreuung aufwändig und kostenintensiv sei.
Für die deutsche Quintet-Tochter Merck Finck ist Berlin ebenfalls nicht mehr der Place-to-be. Die Bank hat die Stadt vor wenigen Jahren verlassen. Eine Sprecherin betont gegenüber PLATOW allerdings: „Berlin ist für uns nach wie vor ein attraktiver Wachstumsmarkt, und unser Engagement für die Stadt ist unverändert stark.“ Die Entscheidung, kein permanentes Büro in Berlin zu unterhalten, sei strategisch gewesen. Die meisten Kundengespräche würden in den Räumen der Kunden stattfinden. Bei Bedarf nutze man flexible Bürolösungen.
Das bedeutet, dass die Reisekosten der Berater, inklusive der dadurch verlorenen oder weniger effizient genutzten Arbeitszeit, unter den Kosten für ein Büro liegen. Das spricht entweder für sehr hohe Mieten oder wenige Reisen nach Berlin.
Halleluja Berlin
Optimistischer in die Berliner Zukunft blicken Metzler und Merkur. Die Merkur Privatbank sieht das Problem eher in ihrer eigenen Größe: „Berlin ist ein sehr großer Markt, da ist es für ein kleineres Haus schon eine Herausforderung, Aufmerksamkeit zu bekommen“, so Lingel. Selbstbewusst fügt er jedoch sofort hinzu: „Wir haben das aber in anderen großen Marktplätzen auch geschafft. Durch unsere Einzigartigkeit werden wir diese Aufmerksamkeit bekommen.“
In Berlin aufzufallen, könnte allerdings tatsächlich besonders schwierig werden. Denn: „Berlin ist eine Welt für sich“, wie Marc Schwarzer von Metzler sagt. Die Stadt ist „schnell, technikaffin und einzigartig.“ Versöhnlichere Worte als weiter oben findet auch Andreas Heinrich von Hansen und Heinrich: „Die Stadt und ihre Peripherie haben großes Potenzial.“ Der Wettbewerb werde daher wachsen. Doch: „Noch ist die Konkurrenzsituation unter den Berliner Vermögensverwaltern komfortabel.“ Für Private Banking- und Wealth Management-Kunden ist das freilich keine gute Nachricht. Sie hoffen darauf, dass Rainald Grebe mit seiner wenig charmanten und dafür kritisierten Hymne „Brandenburg“ wenigstens in einem Punkte Recht behält: „Berlin, Halleluja Berlin, alle wollen dahin“.