Tarifpolitik

Weißer Rauch bei der Chemie

Die aktuelle Tarifrunde 2021/22 kann mit einem Schnell- und einem Gnadenschuss aufwarten. Erstaunlich zügig in nur zwei Runden haben sich die Chemie-Sozialpartner IGBCE und BAVC auf eine sog. „Brückenlösung“ geeinigt, die es der energieintensiven Industrie ermöglicht, trotz allem die Kaufkraft ihrer Beschäftigten ad hoc zu stärken (einmal 1 400 Euro für jeden, angeschlagene Betriebe zahlen 1 000 Euro). Die weiteren Verhandlungen wurden vorerst auf Oktober verschoben.

Dann, wenn hoffentlich wieder Frieden in Europa herrscht, mindestens aber der wirtschaftliche Rahmen stabiler ist, können Tabellenerhöhungen verhandelt werden, bekräftigten die Verhandlungsführer Ralf Sikorski (IGBCE) und Hans Oberschulte (BAVC) auf der gemeinsamen PK am Dienstag.

Dass sich die Chemie-Partner auf diese neuartige Kombi-Lösung aus Einmalzahlung und fest verankerten, wenn auch zunächst nur temporären sozialen Komponenten (einheitliche Nachtschichtzulage von 20%, 3 Mio. Euro-Azubi-Förderprogramm, flexiblere Altersfreizeit, neues bAV-Sozialpartnermodell) einigen konnten, überrascht Kenner nicht. Partnerschaftliches Miteinander wird in der Chemie seit jeher groß geschrieben und ist, bei allem harte Ringen um die geeignete Brücke, eine Selbstverständlichkeit. Sie seien sich ihrer Verantwortung bewusst, betonten nicht nur Oberschulte und Sirkoski, sondern auch ihre Spitzenfunktionäre Kai Beckmann und Michael Vassiliadis nach der Einigung in Wiesbaden.

Dieser ökonomische Pragmatismus fehlt in einer anderen Branche, obwohl sich auch hier Tariffrieden anbahnt: In der bisher überaus konfliktreichen Tarifrunde der Privatbanken bahnt sich nach neun Monaten ebenfalls eine Einigung zwischen Ver.di und der AGV Banken an. Durchgesickert ist, dass sich Jan Duscheck und Sabine Schmittroth wohl nur auf eine Lohnerhöhung verständigen (+3% zum 1.8.22, +2% zum 1.8.23, je 500 Euro einmalig zum Mai 2022 und Januar 2023, Laufzeit bis 31.5.24). Ein Gesamtpaket (inkl. Regelung der mobilen Arbeiten und betrieblichen Altersvorsorge), wie es Ver.di mit dem VÖB zuvor schnürte (s. PLATOW v. 4.4.), wird es für die 140 000 Angestellten der Privatbanken wohl nicht geben, verriet vorab Gewerkschaftssekretär Stefan Wittmann. Ver.di und AGV wollten das nicht kommentieren.

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