Wo Banken bei KI den Anschluss verpassen
Eigentlich arbeiten Banken schon seit Jahrzehnten mit KI. In einem besonders wichtigen Bereich sind sie aus Sicht von Experten aber viel zu zurückhaltend.

Künstliche Intelligenz wandelt die Welt und damit auch den Finanzsektor. In einer Befragung der Unternehmensberatung und Wirtschaftsprüfung PricewaterhouseCoopers (PWC) aus dem Jahr 2024 gaben 73% der Befragten aus dem Finanzsektor an, bereits KI einzusetzen, vor allem zur allgemeinen Prozessautomatisierung (59%) und im Betrugsmanagement (50%) ein. „Hier kommt vor allem klassische KI im Sinne von Machine Learning zum Tragen, und die haben wir schon seit gut 20 Jahren im Einsatz“, sagt Silke Finken, ehemals DZ Bank, heute Professorin für Innovationsmanagement an der International School of Management in München. Aktuell besonders relevant ist allerdings die Generative KI, wie sie auch bei ChatGPT, Gemini und Co zum Einsatz kommt „Sie steigert die Effizienz, reduziert Kosten und Fehler und minimiert damit auch das Risiko.“ Punkte, die den Finanzsektor bei der Implementierung von KI antreiben, bestätigt die Umfrage.
„Nur in Richtung Kunden, Vertrieb und Personalisierung passiert im Bankensektor leider noch eher wenig“, sagt Finken. Diese Beobachtung teilt auch Dominik Wurzer, Managing Director Digital Banking beim Schweizer Softwareunternehmen G+D Netcetera. „Banken müssen unbedingt anfangen in diesen Bereichen zu experimentieren.” Kunden verschrecke das nicht – im Gegenteil. „Menschen werden außerhalb des Bankings bereits jetzt damit konfrontiert, selbst bei der Google-Suche, und werden sich deshalb schnell daran gewöhnen.“
Fintechs und Neobanken haben längst bewiesen, dass sie hochprofitabel arbeiten. „Noch dazu haben Finfluencer stark an Einfluss gewonnen. Nähe und Vertrauen bilden sich heute im Social Web und damit bevor Kundinnen und Kunden auf eine Bank zugehen“, sagt Wurzer. Noch sieht er zu wenige mutige Aktionen im Markt. Aus Sicht von Innovationsforscherin Finken mangelt es Banken teilweise am richtigen Mindset. „Die starke Regulatorik hält Verantwortliche oft zurück.“ Wurzer und Finken empfehlen Testgruppen: Neue Apps oder Funktionen werden dann zunächst nur einer ausgewählten Kundengruppe explizit zum Test bereitzustellt.
Doch abseits vom Mindset, gibt es noch eine große Herausforderung für Banken: unzureichende Ressourcen. In der PWC-Umfrage nennen 63% der Befragten aus dem Finanzsektor das als Hürde beim Einsatz von KI – 10% mehr als noch im Jahr 2023. Denn auch die neuen DORA-Anforderungen der Europäischen Union zwingen Banken bis Anfang nächsten Jahres massiv in Sicherheit- und Risikomanagement zu investieren und binden damit wichtige Kapazitäten. „Banken haben wie alle Unternehmen begrenzte Budgets, Talente und Zeit. Regulatorik beansprucht diese Mittel als erstes“, sagt Finken. „Und dann ist die Frage: Wieviel Freiraum habe ich noch, um wirklich innovativ zu sein?“