Wohin die Lobby-Budgets der Finanzindustrie fließen
Sich im politischen Berlin Gehör zu verschaffen, ist teuer. Die Stadt ist ein Tummelplatz von Lobbyisten jeglicher Couleur. Interessenverbände treten für ihre Mitglieder ein, große Unternehmen haben eigene Hauptstadtbüros, und dann gibt es noch all die Agenturen und freien Berater, die bei Bedarf ihren Klienten beim Navigieren durch den politischen Dschungel helfen. All diese Leute arbeiten nicht umsonst. So pumpt die Wirtschaft reichlich Geld ins Lobbying.
Wie die NGO Finanzwende jüngst in einer Analyse feststellte, tut das keine Branche mit einem solchen Aufwand wie der Finanzsektor. Knapp 40 Mio. Euro seien es im Jahr 2023 gewesen, mehr als die Auto- und Chemieindustrie zusammen. Finanzwende hat dazu das Lobbyregister ausgewertet. Da dort in der Regel nur Spannen für die finanziellen Aufwendungen angegeben werden, ist die Summe wohl nur ein Näherungswert. Aber trotzdem zeigt sie, wie viel Geld die Branche ausgibt, um in Austausch mit Politikern zu kommen und sich bei Gesetzesvorhaben Gehör zu verschaffen.
Die hohen Ausgaben dürften Branchenkenner nicht überraschen: Ständig gibt es neue EU-Richtlinien, die umzusetzen sind, neue Verbraucherschutzvorgaben, Compliance-Regeln, dann der Dauerbrenner Nachhaltigkeit. „Kaum eine Branche ist so durchreguliert wie die Finanzindustrie“, meint Georg Fuchs. Er ist Managing Partner des Beratungsunternehmens Fuchs & Cie am Pariser Platz und so etwas wie der erste Ansprechpartner für den Sektor in Berlin. „Wir haben es hier mit hochkomplexen Themen zu tun, die man auch als externer Berater kennen und verstehen muss“, sagt er. „Dafür haben wir auch die richtigen Mitarbeiter im Team, Bankkaufleute etwa und Menschen mit langjähriger Erfahrung in Unternehmen der Finanzindustrie.“
Laut Finanzwende-Auswertung bekommt keine andere Agentur ein solches Auftragsvolumen von Banken, Versicherern und Fondsgesellschaften. Bis zu 750.000 Euro waren es 2023. Zu den im Lobbyregister einsehbaren Auftraggebern zählen die BNP Paribas Deutschland, die Schufa, die Börse Stuttgart und Union Investment.
Ebenfalls viel Geld aus der Branche erhält die Agentur von Beust & Coll. Bis zu 300.000 Euro hat die vom ehemaligen Hamburger Bürgermeister Ole von Beust gegründete Firma 2023 aus der Finanzbranche erhalten. Die Spitzenposition verdankt sie vor allem dem Großkunden Mastercard, der allein im Jahr 2023 zwischen 200.001 und 250.000 Euro aufwendete. Bis zu 150.000 Euro im Jahr erhielten Christ & Company (zu den Kunden zählt u.a. der Verband Privater Bausparkassen) und FTI Consulting (unter anderem SWIFT). Im laufenden Jahr dürfte die Finanzindustrie ihre Ausgaben wohl eher nicht zurückfahren. Mit der Wahl am 23.2. kommt eine neue Regierung mit einem neuen Koalitionsvertrag und neuen Ansprechpartnern. Reichlich Orientierungsbedarf also für Unternehmen. Und viel zu tun für die professionellen Navigatoren.