Änderung der Prospektrichtlinie bringt viel Neues
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Während Platzierungen ohne Prospekt bisher an qualifizierte Anleger erfolgen konnten, die als solche nach im Wertpapierprospektgesetz genannten Kriterien charakterisiert waren, können nun grundsätzlich alle Investoren prospektfrei angesprochen werden, die von den Emissionsbanken nach dem Wertpapierhandelsgesetz als professionelle Kunden eingestuft wurden. Neben qualifizierten Anlegern können nach wie vor eine begrenzte Anzahl von nicht-qualifizierten Anlegern kontaktiert werden. Deren Zahl wird sich auf weniger als 150 (zuvor 100) natürliche oder juristische Personen je Mitgliedstaat erhöhen. Unabhängig von der Art der angesprochenen Investoren besteht keine Pflicht zur Prospektveröffentlichung bei einer Mindeststückelung der Wertpapiere von künftig 100 000 (zuvor 50 000) Euro. Letztere Ausnahme betrifft vor allem Schuldverschreibungen. Klargestellt wird zudem, dass eine Verwendung des Prospekts durch Finanzintermediäre in „Retail-Kaskaden“ möglich ist, wenn die Prospektverantwortlichen dem in einer schriftlichen Vereinbarung zugestimmt haben.
Bezugsrechtsemissionen im Fokus
Für Aktienemittenten von besonderer Bedeutung ist die Änderung der Prospektanforderungen für Bezugsrechtsemissionen. Anders als in den übrigen EU-Mitgliedstaaten sind in Deutschland ausschließlich an die Altaktionäre der Gesellschaft gerichtete Bezugsrechtsemissionen kein öffentliches Angebot, so dass sie keiner Prospektpflicht unterliegen. Nach Ansicht der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) kann auch die Zulassung solcher ausschließlich bei Altaktionären platzierten Aktien prospektfrei erfolgen, wenn ein etwaiger „Rump“ bei einem oder mehreren Altaktionären untergebracht wird. Die Änderung der Prospektrichtlinie, in deren Vorfeld eine ausdrückliche Befreiung aller Kapitalerhöhungen börsenzugelassener Unternehmen diskutiert wurde, sieht nunmehr vor, dass der Prospektinhalt bei einem Angebot von Aktien geringeren Anforderungen unterliegt, solange das satzungsmäßige Bezugsrecht nicht ausgeschlossen wird und die bestehenden Aktien an einem geregelten Markt oder einem multilateralen Handelssystem zugelassen sind.
Die BaFin und die FWB scheinen einstweilen an ihrer bisherigen Rechtsauffassung festzuhalten, so dass jedenfalls bis zur Umsetzung ins deutsche Recht ein Prospekt für an Altaktionäre gerichtete Angebote und die Zulassung dieser neuen Aktien nach wie vor nicht erforderlich ist. Richtigerweise besteht daher auch weiterhin keine Grundlage für eine Haftung des Emittenten oder der Emissionsbanken wegen Nichtveröffentlichung eines Prospekts. Welche „geringeren“ Anforderungen das revidierte Prospektrecht für Bezugsrechtsemissionen nach Umsetzung der Änderung vorsehen wird, ist ebenso wie für Angebote kleiner und mittlerer Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von weniger als 100 Mio. Euro in den letzten drei Jahren, die gleichfalls geringeren Anforderungen unterliegen sollen, noch offen.
Anforderungen an die Zusammenfassung
Der Zweck der Zusammenfassung des Prospekts wird nunmehr dahingehend definiert, dass sie in Verbindung mit dem übrigen Prospektinhalt zweckdienliche Angaben über wesentliche Aspekte der betreffenden Wertpapiere bieten soll, um den Anlegern bei ihrer Investitionsentscheidung behilflich zu sein. Die bisherige Vorgabe, dass die Zusammenfassung nicht mehr als 2 500 Worte umfassen soll, wird voraussichtlich entfallen. Zudem wird ein einheitliches Format vorgegeben, das die Vergleichbarkeit mit ähnlichen Wertpapieren erleichtern soll. Ferner werden in die Zusammenfassung künftig „wesentliche“ Angaben zwingend aufzunehmen sein. Nach anfänglicher Diskussion über eine Haftungserweiterung sieht der nunmehr verabschiedete Entwurf weiterhin eine Haftung für den Inhalt der Zusammenfassung nur dann vor, wenn sie in Zusammenschau mit den übrigen Teilen des Prospekts irreführend, unrichtig oder widersprüchlich ist oder sie nicht alle wesentlichen Angaben enthält, um den Anlegern bei der Prüfung ihrer Investitionsentscheidung behilflich zu sein.
Nachtrag und Folgepflichten
In der deutschen Praxis ist ein Nachtrag künftig weiterhinbis zum späteren der beiden Ereignisse „Angebotsende“ und „Handelsaufnahme“ zu veröffentlichen. Wie bisher unterliegt jeder Nachtrag einer Billigungspflicht und zieht ein Widerrufsrecht der Anleger für bereits getätigte Orders nach sich, das jedoch nur für solche Anleger gilt, die im Zuge eines öffentlichen Angebots Kaufaufträge abgegeben haben, und nur solange das öffentliche Angebot noch nicht beendet und Erfüllung noch nicht eingetreten ist. Für Emittenten von besonderer Bedeutung ist die Streichung der Verpflichtung zur Veröffentlichung eines jährlichen Dokuments. Damit werden Kosten und Zeitaufwand für Emittenten deutlich reduziert.
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