Geldpolitik

Anlegerschutz muss bei Vertriebsqualität ansetzen

"

Die 2005 eingeführte Prospektpflicht für Graumarktprodukte hat den Anspruch des seinerzeitigen „Anlegerschutzverbesserungsgesetzes“ nicht eingelöst. Gerade bei Graumarktprodukten kann der typische Kleinanleger die Fülle der im Prospekt enthaltenen Informationen häufig nicht ohne Weiteres in eine informierte Anlageentscheidung umsetzen, meint Kai Andreas Schaffelhuber, Partner der Sozietät Allen & Overy.

"

Die Anlageentscheidung wird weder durch ein „Eindampfen“ der Informationen auf ein Produktinformationsblatt noch durch die auf europäischer Ebene geplante formale Vereinheitlichung der Vertriebs- und Produktinformationspflichten für sog. Anlageprodukte für Kleinanleger erleichtert. Es kommt daher entscheidend auf die Qualität der Produkte bzw. des Vertriebs an. Sowohl auf der Produkt- als auch auf der Vertriebsebene treten jedoch – neben Marktteilnehmern, die eine wertvolle Marke zu verteidigen haben und ihr Verhalten entsprechend ausrichten – zahlreiche kurzfristig agierende Anbieter auf. Bei so manchem geschlossenem Fonds kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er überhaupt nur aufgelegt wird, damit Initiatoren und Vertrieb an hohen frontgeladenen Kosten verdienen können. Die für derartige Vertriebe auftretenden Handelsvertreter verstehen das Produkt häufig nicht, und sollen dies wohl auch gar nicht, weil es den Verkaufserfolg schmälern würde. Die gewerberechtliche Erlaubnispflicht in ihrer derzeitigen Form bietet hiergegen keine Handhabe, weil Fachkunde nicht gefordert ist und Wohlverhalten allenfalls repressiv sichergestellt werden kann. Der verbleibende reaktive Anlegerschutz qua Schadenersatzhaftung für fehlerhafte Risikoaufklärung oder Beratung hilft wenig, da der Anleger diese durchsetzen und der Anspruchsgegner zahlungsfähig sein muss. Letzteres wird häufig nicht der Fall sein, da weder eine bestimmte Eigenkapitalausstattung noch eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung gefordert ist.

Marktkomplementärer Ansatz

Gegen Missstände auf der Produktebene richtete sich der geradezu epische Kampf der BaFin gegen geschlossene Wertpapierhandelsfonds, der in dem neuen Erlaubnistatbestand der Anlageverwaltung (§ 1 I 1 Nr. 11 KWG) seinen vorläufigen Abschluss fand. Die künftige Richtlinie zur Aufsicht über die Verwalter alternativer Investmentfonds wird schon deshalb nicht zu einer Qualitätsverbesserung führen, weil kleine Anbieter sich regelmäßig außerhalb ihres Anwendungsbereichs bewegen werden. Da der Ansatz bei der Produktebene zudem aus rechtlichen Gründen bruchstückhaft bleiben muss – das Erfordernis hoheitlicher Genehmigung wäre ein rechtswidriger Eingriff in die Gewerbefreiheit der Anbieter und aus Kapazitätsgründen nicht durchführbar, ein Ratingerfordernis als privates Substitut einer solchen Produktgenehmigung stieße auf ähnliche Bedenken –, kann proaktiver Anlegerschutz nur bei der Qualität des Vertriebs ansetzen. Ein derartiger marktkomplementärer Regulierungsansatz wird der Eigenheit von Graumarktprodukten als beratungsintensive Vertrauensgüter am besten gerecht.

Dazu sah der am 3.5.2010 vom Bundesfinanzministerium vorgelegte Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsweise der Kapitalmärkte“ vor, die Legaldefinition der „Finanzinstrumente“ auf pros-pektpflichtige Graumarktprodukte zu erweitern, um ihren Vertrieb der Institutsaufsicht nach dem KWG und der Marktaufsicht nach dem WpHG zu unterstellen. Der Vertrieb hätte entweder selbst die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis als Finanzdienstleistungsunternehmen erfüllen oder sich als Vermittler unter das Haftungsdach eines Einlagenkreditinstituts oder Wertpapierhandelsunternehmens begeben müssen – was zu einer massiven Marktbereinigung geführt hätte –, die Vorschriften des WpHG wären ohne Weiteres anwendbar gewesen.

Dezentralisierte Aufsicht

Anstelle einer derartigen bundesweit konzentrierten Aufsicht mit laufender Kontrolle durch die BaFin – die das regulatorische Gefälle zwischen weißem und grauem Kapitalmarkt beseitigt hätte – wird es bei der dezentralen Aufsicht durch die Gewerbeaufsichtsämter bleiben. Graumarktprodukte sollen zwar als Finanzinstrumente eingeordnet, ihr Vertrieb jedoch – in Anlehnung an die Ausnahmeregelung für Anteile an zum öffentlichen Vertrieb zugelassenen offenen Investmentfonds, die allerdings einer Regulierung auf Produktebene unterliegen – aus dem Anwendungsbereich des KWG herausgenommen und weiterhin der Gewerbeordnung unterstellt bleiben. Die diesbezüglichen Zugangs- und Verhaltenspflichten sollen jedoch in Anlehnung an die Regeln über die Versicherungsvermittlung verschärft Sachkundenachweis; Nachweis einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung) und den Regeln des Wertpapierhandelsgesetzes nachgebildete Informations- und Dokumentationspflichten vorgesehen werden. Die Einhaltung wäre durch die Gewerbeaufsicht durchzusetzen.

Ob eine derartige dezentralisierte Aufsicht das angestrebte Ziel proaktiven Anlegerschutzes verwirklichen kann, ist zweifelhaft: Zum einen ist die Gewerbeaufsicht dafür weder befugnismäßig eingerichtet noch personell ausgestattet, zum anderen ist die wünschenswerte einheitliche Handhabung der Zulassungs- und Überwachungsvorschriften nicht gewährleistet, weshalb Aufsichtsarbitrage zu erwarten ist. In diesem Zusammenhang kann nicht außer Acht bleiben, dass das insoweit als Vorbild dienende Aufsichtskonzept für Versicherungsvermittler in der Fachöffentlichkeit als gescheitert gilt, weil es an einem einheitlichen Vollzug fehlt.

Abonnieren Anmelden
Zur PLATOW Börse