Kapitalmärkte

Banken wittern neue Chance für Kapitalmarktunion

Mit ihrem flammenden Plädoyer für die Vollendung der europäischen Kapitalmarktunion fügte sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde perfekt in die Choreografie des diesjährigen European Banking Congress ein.

Selten sind sich EZB und Spitzenbanker so einig wie beim Thema Kapitalmarktunion. Europa werde die grüne und digitale Transformation nicht schaffen, wenn es nicht gelingt, die Kapitalmarktunion wieder auf Kurs zu bringen, warnte Lagarde. Dazu bedürfe es jedoch eines Brustlösers, wie es im 19. Jahrhundert der Eisenbahnbau in Amerika gewesen sei, der die Schaffung eines einheitlichen Kapitalmarkts in den USA ausgelöst habe, um die notwendigen Investitionen zu ermöglichen. Damit sprach Lagarde Deutsche Bank-Chef Christian Sewing, der seit Jahren unermüdlich für die europäische Kapitalmarktunion trommelt, und Commerzbank-Vorsteher Manfred Knof sichtlich aus dem Herzen. Es sei nun höchste Zeit zu handeln, drängte Knof mit Blick auf die Kapitalmarktunion.

Den von Lagarde angesprochenen Eisenbahn-Moment glaubt Sewing bereits gefunden zu haben. In einem „Handelsblatt“-Gastbeitrag warb er dafür, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Umwidmung nicht benötigter Coronahilfen für den Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt hat, als Chance zu nutzen, um mehr private Mittel für Klimaschutz-Investitionen zu mobilisieren. Dazu brauche es jedoch einen einheitlichen europäischen Kapitalmarkt, der auch für große internationale Investoren attraktiv ist.

Sewings Versuch, das Urteil des Verfassungsgerichts als Katalysator für eine beschleunigte Umsetzung der Kapitalmarktunion zu nutzen und der Bundesregierung mit der Mobilisierung von privatem Kapital einen Ausweg aus der gerissenen Haushaltslücke von 60 Mrd. Euro in den kommenden Jahren zu weisen, hat aber noch einen anderen Hintergrund. Die Banker treibt die Sorge um, dass die Ampel zur Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds auch die derzeit gut verdienenden Institute mit einer Bankensteuer zur Abschöpfung vermeintlicher Übergewinne heranziehen könnte.

Doch auch die französische EZB-Chefin wusste ihr Werben für die Kapitalmarktunion mit einem Herzensanliegen zu verknüpfen. Ein einheitlicher europäischer Kapitalmarkt brauche auch starke Institutionen. Bislang sei die von den nationalen Behörden dominierte Wertpapieraufsicht in Europa noch immer zu sehr zersplittert. Um das zu ändern, forderte Lagarde für die in Paris beheimatete EU-Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA mehr Macht. Dabei schwebt Lagarde eine breite Ausweitung der Befugnisse der ESMA nach dem Vorbild der US-Börsenaufsicht SEC vor, um große börsennotierte Unternehmen direkt beaufsichtigen zu können. fm

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