Geldpolitik

Compliance als Werkzeug der Haftungsminimierung

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Schon wieder Compliance? Das Thema mutet vielen mittlerweile als ebenso lästige wie kostspielige Modeerscheinung an, die bürokratische Organisationsmonster schafft und eine Spielwiese zum Austoben für Berater bietet. Letztlich sind dies alles allerdings Zerrbilder einer richtig verstandenen Compliance. Denn konkret geht es in der präventiven Beratung neben der rechtlichen Implementierung der von der Geschäftsleitung vorgegebenen Unternehmenskultur schlicht um die Minimierung vermeidbarer Haftungsrisiken der Unternehmensleitung für die Non-Compliance einzelner Personen im Unternehmen, sagen Arndt Michel und Jochen Markgraf von der Sozietät Glade Michel Wirtz.

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Im Bewusstsein vieler Vorstände, Geschäftsführer und anderer Führungskräfte ist noch immer nicht verankert, dass Rechtsverstöße auch untergeordneter Mitarbeiter ohne Compliance-Organisation im Unternehmen zur persönlichen Haftungsfalle für sie werden können. Schließlich geht es im Kern um das, geradezu banal anmutende, Gebot des rechtmäßigen Handelns im Geschäftsverkehr. Und für die Einhaltung dieses Gebots im und durch das Unternehmen ist im Rahmen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung letztlich die Geschäftsleitung verantwortlich. Die aus dem angelsächsischen Raum stammende martialische Devise „comply or die“ hat deshalb nicht zuletzt, was die persönliche Haftung des Managements angeht, ihre Berechtigung. Denn mit der sich abzeichnenden zunehmenden Etablierung von Compliance-Systemen in deutschen Unternehmen wird sich auch der Maßstab für eine Geschäftsführung „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ über die Zeit wandeln. Die Einführung solcher Systeme wird damit schon allein in Anbetracht etwaiger Haftungsrisiken für die verantwortlichen Unternehmensleiter unabdingbar.

Risikolagen sind unterschiedlich gestaltet

Aber wie sollen die entsprechenden Regeln ausgestaltet werden? Trotz einiger neuerer Ansätze in der Praxis gibt es hierfür derzeit weder allgemeingültige noch detaillierte gesetzliche oder sonstige zwingende Vorgaben. Dies führt oft zu einer Verunsicherung im Unternehmen: Brauchen wir monatelange interne Untersuchungen, die dann einen riesigen Apparat mit zahllosen praxisuntauglichen Vorschriften gebären und das Unternehmen lähmen? Oder doch lieber „Augen zu und durch“? So banal es klingen mag: Weder noch! Denn die Abwesenheit allgemeinverbindlicher Vorschriften resultiert ganz wesentlich daraus, dass nicht alle Unternehmen in gleicher Form und Intensität Compliance-Richtlinien bedürfen. Je nach Größe und Unternehmensgegenstand sind die relevanten Risikolagen gänzlich anders gestaltet. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, mit dem Unternehmen angemessenen Mitteln vorbeugend die Kosten- und Haftungsrisiken einer Nachbereitung von Non-Compliance zu vermeiden.

Konkret zeigt sich dies anhand der derzeit üblichen „Zuwendungsregeln“, mit denen Unternehmen ihren Mitarbeitern Vorgaben für die Gewährung und Entgegennahme von Zuwendungen (Präsenten, Einladungen zu Veranstaltungen u. ä.) machen. Mangels allgemeingültiger – insbesondere betraglicher – Vorgaben, ist hier eine Wertungsentscheidung der Geschäftsleitung nötig. Nicht selten findet man aus Unsicherheit in der Praxis das vollständige Verbot, Zuwendungen anzunehmen oder zu gewähren. Allerdings ist dies nicht in jedem Fall zwingend erforderlich und auch nicht immer praxistauglich. Deshalb installieren andere Unternehmen zulässigerweise ein differenziertes System, das z. B. zwischen aktiven (an Geschäftspartner) und passiven Zuwendungen (an die eigenen Mitarbeiter) unterscheidet. Zudem kann die Gewährung oder Entgegennahme von Zuwendungen je nach deren Art (Geschenke, Geschäfts-essen, Einladungen zu Spaß-Veranstaltungen etc.) von der vorherigen Zustimmung eines Vorgesetzten abhängig gemacht werden. Dies sind nur einige wenige Beispiele für den Gestaltungsspielraum. Der richtige Standard kann also mit den verschiedenen Abteilungen im Unternehmen und dessen externen Beratern genau austariert werden. Die Praxis zeigt, dass der anspruchsvolle Weg dorthin deutlich weniger beschwerlich ist, als eine von Non-Compliance infizierte Unternehmenskultur wieder auf die unternehmerischen Kernthemen zu fokussieren. Denn nicht selten ist eine solche Aufdeckung von überzogenen Verhaltensregeln und aufwendigen unternehmensinternen Untersuchungen begleitet.

Compliance muss kein Schreckgespenst sein

Mit der Entscheidung über das „ob“ von Compliance – und diese wird sich nicht mehr ernsthaft verneinen lassen (das vollständige laissez-faire ist eben keine Option!) – ist also über das konkrete „wie“ der Ausgestaltung noch nichts entschieden. Bei richtiger Handhabung sind damit weder überflüssige Kosten noch unternehmensinterne Hürden für ein erfolgreiches Wirtschaften verbunden. Im Gegenteil: Erst die ungesteuerte Non-Compliance diktiert den betroffenen Unternehmen neben den Haftungsrisiken für alle Beteiligten im Nachgang oft nicht nur das „ob“, sondern oftmals auch ein völlig überzogenes „wie“. Allein die presseöffentlichen Beispiele der letzten Jahre geben davon beredtes Zeugnis. So verstanden, erweist sich Compliance als Werkzeug und nicht als Schrecken der erfolgreichen Unternehmensleitung.

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