Cum-Ex – Wie die Justiz ihren Kronzeugen bei Laune hält
Im Herbst soll der wegen Befangenheit des Richters verschobene Cum-Ex-Prozess gegen M.M. Warburg-Haupteigentümer Christian Olearius endlich starten. Eine wichtige Rolle in dem Verfahren dürfte auch der ehemalige Kanzlei-Partner von Cum-Ex-Mastermind Hanno Berger, Kai-Uwe S., spielen. Zusammen mit Berger beriet S. auch die Warburg Bank bei ihren Geschäften rund um den Dividenden-Stichtag.
Als Berater hat das Duo bei diesen und anderen Cum-Ex-Deals selbst kräftig mitkassiert. Um seine eigene Haut zu retten, hat sich S. der Staatsanwaltschaft als Kronzeuge zur Verfügung gestellt und dabei auch seinen Ex-Partner Berger, gegen den aktuell beim Landgericht Wiesbaden ein Cum-Ex-Verfahren läuft, belastet. Mit einem Urteil wird noch im Mai gerechnet.
Welche zentrale Rolle der Kronzeuge für die Staatsanwaltschaft spielt, wird daran deutlich, dass die Ermittler ihre Anklagen in praktisch allen Cum-Ex-Verfahren auf die Aussagen des ehemaligen Berger-Partners aufgebaut haben. Vor diesem Hintergrund rückt ein Vorgang in ein neues Licht, der sich im Dezember 2022 im Berger-Prozess vor dem Bonner Landgericht abgespielt hat, in der Öffentlichkeit bislang aber kaum beachtet wurde.
Mit Beschluss vom 13.9.2022 wies das Landgericht Bonn den Kronzeugen und Berger darauf hin, dass sie im Hinblick auf die von ihnen erzielten Erträge aus Cum-Ex-Transaktionen der Warburg Bank und der Sondervermögen BCGES und BCGH als Gesamtschuldner anzusehen seien. Da Berger angab, mittellos zu sein, wollte das Gericht die zu unrecht vereinnahmten Cum-Ex-Erträge von insgesamt 27,3 Mio. Euro bei dem offensichtlich solventen S. eintreiben. Doch das passte dem Kronzeugen überhaupt nicht.
In seiner Zeugenvernehmung lamentierte S. mehrfach, dass er nicht für Bergers Steuerschulden haften wolle. Obwohl genau dies der Kern einer gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme ist, ließen sich Gericht und Staatsanwaltschaft auf einen Deal mit dem Kronzeugen ein. Demnach könne auf eine Einziehung verzichtet werden, wenn S. die Hälfte des Betrags (13,7 Mio. Euro) an die Steuerbehörden zahlt. S. soll daraufhin seiner Bank eine Zahlungsanweisung über 13,666 Mio. Euro erteilt haben, „wo am Ende ein paar Euro zu wenig sind, wahrscheinlich wegen eines Tippfehlers“, wie Richter Roland Zickler laut Wortprotokoll vom 13.12.2022 anmerkte. Angekommen waren davon allerdings nur 5 Mio. Euro, da die Bank noch ungeklärte Compliance-Fragen sah. Daraufhin fragte Zickler die Staatsanwaltschaft, wie sie angesichts der blockierten Zahlung zur weiteren Verfahrensbeteiligung ihres Kronzeugen stehe.
Dabei ließ Zickler durchblicken, dass er tags zuvor mit der Staatsanwaltschaft bereits einen weiteren Deal eingetütet hat. Um den offensichtlich meuternden Kronzeugen weiter an Bord zu halten, wurde auf die Einziehung der restlichen Millionen verzichtet. fm