Geldpolitik

Der Rechtsverlust bleibt ein Thema

Jüngste empirische Untersuchungen zur Erhebung von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen durch professionelle Kläger haben gezeigt, dass Hauptversammlungsbeschlüsse börsennotierter Gesellschaften häufig mit der Behauptung angegriffen werden, die Stimmen von bestimmten (Groß-)Aktionären hätten auf Grund eines Rechtsverlusts nach § 28 WpHG nicht mitgezählt werden dürfen. Ein solcher Rechtsverlust tritt nach geltendem Recht ein, wenn ein Aktionär die Mitteilungspflichten nach den §§ 21 ff. WpHG im Hinblick auf das Über- oder Unterschreiten bestimmter Beteiligungsschwellen verletzt. Dieser Befund hat dazu geführt, dass in Fachkreisen seit einiger Zeit immer häufiger über eine Reform von § 28 WpHG diskutiert wird, um das Anfechtungspotenzial abzumildern.

Entsprechende Vorschläge wurden beispielsweise von DAI und BDI in ihren Stellungnahmen zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz unterbreitet. „Für eine Reform von § 28 WpHG spricht insbesondere, dass die Sanktion des Rechtsverlusts im Anfechtungsprozess im Wege des Reflexes gewissermaßen die Falschen trifft“, so Andreas Merkner, Partner im Gesellschaftsrecht der internationalen Anwaltssozietät Shearman & Sterling in München. „Denn eigentlich soll der pflichtvergessene Meldepflichtige sanktioniert, nicht aber sollen Beschlüsse der Hauptversammlung zu Fall gebracht werden, die im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre liegen.“

Änderungen im Bereich der Stimmrechts- und Beteiligungstransparenz sind allerdings auch auf europäischer Ebene zu erwarten. Die EU-Kommission hat im Oktober 2011 einen Vorschlag für eine Änderung der Transparenzrichtlinie unterbreitet, der u. a. vorsieht, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen sollen, dass die möglichen Verwaltungssanktionen auch die Befugnis der zuständigen Aufsichtsbehörden zur Aussetzung der Stimmrechte umfassen. Nach dem derzeit in Deutschland geltenden Recht tritt der Rechtsverlust – wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen – kraft Gesetzes ein und erfasst im Grundsatz auch die Vermögensrechte des Aktionärs und nicht bloß die Stimmrechte.

„Eine Anordnung des Rechtsverlusts durch die BaFin würde sicherlich einen Gewinn an Rechtssicherheit mit sich bringen“, so Merkner weiter, „aber zugleich eine ganze Reihe weiterer Fragen aufwerfen – ganz zu schweigen von der extremen zusätzlichen Belastung der BaFin. Insofern stellt sich die Frage, ob ein – abgemilderter – Rechtsverlust kraft Gesetzes nicht doch die vorzugswürdige Lösung ist.“

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