Deutscher Außenhandel – Wie ein Chamäleon
Joe Bidens Inflation Reduction Act, kurz IRA, mit einem Gesamtaufkommen von 739 Mrd. Dollar könnte den Wettbewerb zugunsten heimischer Unternehmen drastisch verzerren, hatte es zunächst geheißen. In der Tat entfällt ein großer Teil der gigantischen Summe (369 Mrd.) auf die Förderung heimischer Industrien, insbesondere deren Transformation zu mehr Klimaneutralität.
Genau hier setzte aber zwischenzeitlich das sogar ziemlich arbeitgebernahe IW Institut der deutschen Wirtschaft in Köln an und stellt in einer seither oft herumgereichten Studie fest, dass deutsche Unternehmen vom IRA sogar profitieren. Die staatliche Förderung in den USA würde einen Nachfragesog nach deutscher Technologie auslösen. Interessanterweise hält sich die deutsche Industrie seit geraumer Zeit mit Kritik am IRA zurück. IRA ist denn auch nicht mit „America first“ à la Donald Trump zu vergleichen und auch nicht mit TTIP, dem beerdigten Transatlantischen Freihandelsabkommen. Gegen beides war die hiesige Industrie seinerzeit Sturm gelaufen.
Die neuesten Zahlen von der Exportfront signalisieren die zur Gelassenheit deutscher Vorstände passende Entwarnung. Chamäleongleich passt sich die deutsche Industrie mit ihrer globalen Ausrichtung den neuen geopolitischen Verhältnissen an. Nach offiziellen Zahlen (Statistisches Bundesamt) kamen die Ausfuhren nach Russland im Dezember fast zum Erliegen, in Richtung China gab es Stagnation. Die Exporte in die USA und nach Großbritannien brummten indes mit +16,1% bzw. +2,3%. Der Löwenanteil des deutschen Handels wird unverändert innerhalb der EU abgewickelt.
Das Geschäftsmodell der deutschen Industrie funktioniert also weiterhin. Während die Unternehmer einigen Grund haben, IRA halb so schlimm zu finden, macht die Politik in Europa weiter Druck. Frankreichs Emmanuel Macron, der sich zum 60. Jahrestag des Élysée-Vertrags diesen Sonntag auch mit Olaf Scholz in Paris trifft, gab sich zuletzt mit Spaniens Pedro Sánchez sorgenvoll. Biden solle für europäische Unternehmen und Investoren ähnliche IRA-Ausnahmen schaffen, wie sie für Kanada und Mexiko gelten und die EU mit eigenen Subventionen, etwa für Umwelttechnik, reagieren. Das Geld müsse aus nationalen und europäischen Fonds kommen. Am 1.2. wird Ursula von der Leyen Vorschläge der Kommission präsentieren. afs