Die „Krim-Krise“ als Compliance-Herausforderung
Die aktuelle Lage in der Ukraine und der Status der Krim hat in den letzten Tagen die Berichterstattung der internationalen Medien beherrscht. Die Entwicklungen könnten nicht nur politische, sondern auch massive wirtschaftliche und rechtliche Folgen haben, die international tätige Unternehmen insbesondere vor erhöhte Compliance-Herausforderungen stellen könnten, so Heiner Hugger und Alexander Cappel von Clifford Chance.
Die aktuelle Lage in der Ukraine und der Status der Krim hat in den letzten Tagen die Berichterstattung der internationalen Medien beherrscht. Die Entwicklungen könnten nicht nur politische, sondern auch massive wirtschaftliche und rechtliche Folgen haben, die international tätige Unternehmen insbesondere vor erhöhte Compliance-Herausforderungen stellen könnten, so Heiner Hugger und Alexander Cappel von Clifford Chance.
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Nach dem Sturz des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch haben die EU und die USA mit personellen Sanktionen auf Veruntreuungen staatlicher Vermögenswerte in der Ukraine und auf die fortlaufende politische Krise wegen des Status der Halbinsel Krim reagiert. Zwei EU-Verordnungen (VO (EU) Nr. 208/2014 und VO (EU) 269/2014) sehen neben Reisebeschränkungen insbesondere vor, dass die Gelder von 18 ukrainischen und 33 russischen Politikern und Militärs einzufrieren sind und dass ihnen keine weiteren Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen unmittelbar oder mittelbar zur Verfügung gestellt werden dürfen. Die beiden EU-Verordnungen gelten unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten, wobei die Folgen von Verstößen vom nationalen Recht des jeweiligen Mitgliedstaats abhängen. Die EU-Sanktionen betreffen in erster Linie Unternehmen, die in wirtschaftlicher Verbindung mit der Ukraine oder Russland und vor allem mit den gelisteten Personen selbst stehen. In Deutschland sind die Rechtsfolgen für Verstöße gegen EU-Sanktionen insbesondere im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) geregelt. Wenn ein Unternehmensmitarbeiter einen solchen Verstoß begeht, beispielsweise durch Bereitstellung von Geldern an eine der gelisteten Personen, wird das unter bestimmten Voraussetzungen als Straftat mit Freiheitstrafe bis zu fünf Jahren geahndet. Zudem besteht das Risiko, dass gegen das Unternehmen entweder eine Geldbuße verhängt wird oder eine Verfallsanordnung ergeht. Eine Unternehmensgeldbuße kann für jeden einzelnen Fall bis zu 10 Mio. Euro betragen und diesen Betrag auch übersteigen, wenn das erforderlich ist, um einen höheren wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen. Durch eine Verfallsanordnung wird das durch den Verstoß erzielte so genannte Brutto-Erlangte abgeschöpft, ohne Aufwendungen abzuziehen, die in diesem Zusammenhang getätigt wurden.
Schwierigkeiten in der Unternehmenspraxis
Die Gefahr von Verstößen resultiert insbesondere daraus, dass zwar die gelisteten Personen in den EU-Verordnungen namentlich genannt sind, aber in jedem Einzelfall das betroffene Unternehmen selbst den relevanten Sachverhalt aufklären und bewerten muss, um die Zuordnung einzufrierender Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen sowie das Bereitstellungsverbot zu beurteilen. Das kann dann schwierig werden, wenn zukünftig neben natürlichen Personen (Menschen) auch juristische Personen (Unternehmen) gelistet würden und deren Inhaber nicht klar erkennbar wären. In solchen Fällen besteht für Unternehmen stets die Gefahr, gegen das mittelbare Bereitstellungsverbot zu verstoßen. Die EU-Verordnungen sehen allerdings regelmäßig einen Ausschluss der Haftung bei Gutgläubigkeit vor. Deshalb sollte ein Unternehmen stets nachweisen können, dass es den relevanten Sachverhalt im Vorfeld eines Geschäfts sorgfältig geprüft hat und davon ausgehen durfte, dass es gerade nicht zu einer verbotenen Bereitstellung kommt, auch wenn sie sich später dennoch realisiert haben sollte. Schwierigkeiten könnten sich auch daraus ergeben, dass die Verbote der EU-Verordnungen im Widerspruch zu Rechtsvorschriften anderer Staaten stehen können, die es international tätigen Unternehmen mitunter untersagen, sich an die EU-Verordnungen zu halten. In solchen Situationen stellt sich die Frage, wie Unternehmen mit derartigen Konflikten zwischen verschiedenen Rechtsordnungen umgehen sollten, um die Gefahr zu minimieren, dass sie wegen eines Verstoßes gegen das eine oder das andere Recht haften. In Deutschland hat sich insbesondere in solchen Fällen ein enger Austausch mit den zuständigen Behörden bewährt, wobei das betroffene Unternehmen vorab die Rechtslage selbst genau klären sollte. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der EU-Sanktionen dürften sich bisher gleichwohl noch in Grenzen halten, da sie bisher lediglich personenbezogen sind. Dennoch ist zu befürchten, dass bei einer weiteren Zuspitzung der politischen Lage möglicherweise auch wirtschaftlich weitreichendere Beschränkungen des Waren- und Güterverkehrs folgen werden. Zudem sind umfangreichere russische Gegensanktionen wie zum Beispiel Einschränkungen der Öl- und Gaslieferungen zu befürchten.
Ausblick
Vor dem Hintergrund der bereits bestehenden und möglicherweise noch bevorstehenden EU-Sanktionen sowie der sich fast täglich ändernden politischen Lage stehen Unternehmen vor enormen Compliance-Herausforderungen, um im Wirtschaftsverkehr mit Russland und der Ukraine für sich und ihre Mitarbeiter das Risiko einer schlimmstenfalls auch strafrechtlichen Haftung wegen Sanktionsverstößen zu minimieren. Erst wenn ein Unternehmen hinreichend sicher feststellen kann, dass es bei Geschäften mit Bezug zu Russland oder der Ukraine nicht gegen Sanktionen verstößt, sollten sie durchgeführt werden. Zumindest in Zweifelsfällen sollte dabei auch externe Beratung in Anspruch genommen und die Einschätzung der zuständigen Behörden eingeholt werden.
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