Bankensektor

Ex-BdB-Chef warnt vor Konjunktur-Kollaps und fordert Zeichen der EZB

Der langjährige Chef von Berenberg und des Bankenverbands (BdB), Hans-Walter Peters, warnt vor einem wirtschaftlichen Einbruch. „Jetzt haben wir plötzlich das Problem, dass die Konjunktur, insbesondere in Deutschland, richtig kollabiert und die Wirtschaft kaum eine Perspektive hat,“ sagte er im PLATOW-Interview. „Ich bin entsetzt, wie schlecht die Stimmung ist. Die Unternehmen sehen im Augenblick keine Perspektive für eine Erholung der Wirtschaft.“

Dr. Hans-Walter Peters, Präsident des Bundesverbands der deutschen Banken
Dr. Hans-Walter Peters, Präsident des Bundesverbands der deutschen Banken © Berenberg

Sie hätten Wettbewerbsprobleme auf der Kostenseite und Arbeitskräftethemen. Außerdem gehe die Nachfrage in den wichtigen Märkten USA und China zurück. „Ich habe die große Sorge, dass unsere Industrie in einen neuen Negativtrend läuft – und das können wir hier in Deutschland ganz bestimmt nicht gebrauchen.“ Deutschland sei immer der wirtschaftliche Anker in Europa gewesen. „Wenn Deutschland diese Position nicht wieder einnimmt, ist das für ganz Europa schlecht.“

Peters, der auch Vorsitzender des Verwaltungsrats der Privatbank Berenberg ist, fordert daher die EZB zum Handeln auf. Sie könne zwar nicht die wirtschaftlichen und strukturellen Probleme Deutschlands lösen, aber zumindest den richtigen Rahmen setzen. „Ich finde, man sollte jetzt ein Zeichen setzen mit einer Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte“, sagte er mit Blick auf die EZB-Ratssitzung am 12. September. Allgemein wird dort mit einer Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte gerechnet. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in eine wirtschaftlich so schwierige Lage kommen, dass nachher eine Zinssenkung komplett verpufft,“ warnt Peters. „Je länger die EZB wartet, desto größer die Gefahr, dass sie die Zinsen dann wieder zu weit senkt.“

Aus Sicht von Peters sollte die EZB sich nicht zu starr auf ihr Inflationsziel von 2% fixieren. Die Inflationsrate in Deutschland liege bereits bei 1,9%. Natürlich könne sie in den nächsten Monaten auch wieder etwas darüberliegen. „Aber wenn man trotz schwacher Konjunktur erst reagiert, wenn sie nachhaltig bei 2% ist, dann kann das zur nächsten großen Fehlentwicklung werden.“

Von der EZB fordert Peters Selbstkritik. „Mich ärgert, dass die EZB ihre Fehler der Vergangenheit nicht öffentlich aufgearbeitet hat. Und jetzt könnte sie davorstehen, den nächsten Fehler zu begehen.“ Im Jahr 2022 erreichte die Inflation zeitweise zweistellige Werte in Deutschland und dem Euro-Raum. Aus Sicht von Peters hat die EZB in der Pandemie die Geldpolitik „viel zu spät“ angezogen, weil sie einem „unrealistischen Modell“ gefolgt sei, das die Angebotsseite nicht berücksichtigt habe. „Wenn die EZB ihre Politik an einem Modell ausrichtet, das in einer bestimmten Phase versagt hat, dann muss doch öffentlich klargemacht werden, nach welchem Modell sie jetzt entscheidet.“ jam

Hier lesen Sie das ganze Interview: Zum Interview

Abonnieren Anmelden
Zur PLATOW Börse