EZB senkt Zinsen – Lagarde dämpft Fantasie auf weitere Schritte
Sie reduzierte den für die Finanzmärkte maßgeblichen Einlagenzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75%. Auf die Frage, ob die Entscheidung einstimmig fiel, antwortete Lagarde: „Es gab eine Gegenstimme – und ich überlasse es ihnen zu raten, wer das war.“ Einen fast wortgleichen Satz hatte einst Draghi verwendet, als die EZB ein besonders umstrittenes Rettungsprogramm in der Euro-Krise beschlossen hatte.
Damals kam die Gegenstimme vom damaligen Bundesbank-Präsidenten Jens Weidmann, dieses Mal vom österreichischen Notenbankchef Robert Holzmann, wie wir hören. Noch vor einigen Wochen hatte dieser seine Zustimmung in Aussicht gestellt. Doch so eindeutig, wie sich das viele im Glasturm der EZB im Frankfurter Ostend erhofft hatten, fielen die zuletzt veröffentlichten Daten nicht aus. Noch im April hatte Lagarde erklärt, für eine Zinssenkung bräuchte sie noch mehr Zuversicht über den weiteren Rückgang der Inflation. Zuletzt ist die Inflation im Euro-Raum wieder gestiegen und die Lohnerhöhungen im Währungsraum fielen stärker aus als erwartet. Diese Entwicklung hat sich auch in den neuen Inflationsprognosen niedergeschlagen, die die EZB ebenfalls vorlegte. Sie hob diese für 2024 (von 2,3 auf 2,5%) und für 2025 (von 2 auf 2,2%) an.
Angesichts dieses Umfelds sehen manche Experten den EZB-Beschluss kritisch. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sprach von einer „verfrühten Entscheidung“. Aus seiner Sicht hatte sich die Notenbank zu früh auf eine Zinssenkung festgelegt, statt sich an den Daten zu orientieren. Viele Ökonomen zeigten jedoch Verständnis für den Beschluss. Lagarde sprach von einem „holprigen Weg“, der nun vor der EZB liege. Immer wieder wiederholte sie, die EZB werde sich nicht auf einen bestimmten Pfad für die weitere Zinsentwicklung festlegen.
Bemerkenswert: Die Kapitalmarktzinsen zogen nach Verkündung der Zinssenkung und während der Pressekonferenz von Lagarde sogar leicht an. So stieg die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen etwas. Auf die Frage, ob die EZB nun die Phase erreicht habe, wo die Geldpolitik weniger restriktiv werde, sagte Lagarde: „Das würde ich so nicht sagen.“ Dies sei zwar „sehr wahrscheinlich, aber es hängt von den Daten ab, und was sehr unsicher ist, ist die Geschwindigkeit, mit der wir uns fortbewegen, und die Zeit, die wir dafür brauchen werden.“ Zeitweise waren Investoren von 5 Zinssenkungen der EZB in diesem Jahr ausgegangen. Zuletzt haben die Märkte ihre Erwartungen deutlich reduziert. Aktuell gelten ein oder zwei weitere Zinssenkungen als wahrscheinlich. jam