Investmentbank

Für Barclays ist Europa „auf dem aufsteigenden Ast“

Der Chefvolkswirt der britischen Großbank Barclays, Christian Keller, sieht nach jüngsten positiven Daten Rückenwind für die europäische Wirtschaft. „Europa ist auf dem aufsteigenden Ast. Wir erwarten, dass die wirtschaftliche Dynamik hier jetzt zunimmt,“ sagte er am Dienstag bei einem Besuch in Frankfurt.

Die Wirtschaft im Euroraum ist im ersten Quartal überraschend stark um 0,4 % gegenüber dem Vorjahr gewachsen, wie das europäische Statistikamt in der vergangenen Woche verkündete. Keller geht davon aus, dass die EZB dennoch im Juni, Juli und September gleich dreimal hintereinander die Zinsen senken wird und dann im Dezember einen weiteren Schritt nachsetzt. Deutlich vorsichtiger klang der österreichische Notenbankchef Robert Holzmann vergangene Woche im PLATOW-Interview, wo er sich gegen zwei aufeinanderfolgende Zinssenkungen im Juni und Juli aussprach.

Holzmann gilt im EZB-Rat als besonders strikter Verfechter einer straffen Geldpolitik. Keller sieht vor allem die schwächere Inflations- und Lohndynamik im Euro-Raum als Argument für eine Lockerung der Geldpolitik der EZB. „Das Verhältnis zwischen offenen Stellen und Arbeitslosigkeit geht in Europa zurück.“ Relativ hoch seien allerdings noch die um Energie- und Nahrungspreise bereinigte Kerninflation sowie die Preisdynamik bei Dienstleistungen.

Ein Risiko für seine Vorhersage sieht der Barclays-Chefvolkswirt im Verhalten der US-Notenbank Fed. Die britische Großbank prognostiziert, dass diese im September ebenfalls die Zinsen senkt. Wenn die Fed zögere, weil die Kerninflation in den USA wieder steige, könne das einige im EZB-Direktorium dazu bewegen, vorsichtiger zu werden. „Es gibt bei einigen Unsicherheit darüber, wie stark sich das Inflationsbild in Europa von den USA unterscheidet.“ EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte auf ihrer Pressekonferenz im April zwar von deutlichen Unterschieden gesprochen, doch es ist nicht klar, wie viele Ratsmitglieder diese Sicht teilen.

Unterschiede sieht Keller auch in den Folgen der Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks. „In Europa kann man ganz klar sagen, dass die Geldpolitik gewirkt hat.“ Die schärferen Kreditstandards seien direkt und unmittelbar weitergegeben worden, auch wegen des stark bankbasierten Finanzsystems. „In den USA ist das wegen des stärker kapitalmarktbasierten Finanzsystems nicht ganz so klar.“ jam

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