Gestreckte Entscheidungsprozesse – EuGH entscheidet zur Ad-hoc-Pflicht
In diesem Punkt folgt der EuGH dem Generalanwalts und klärt eine umstrittene Rechtsfrage. „Für die Beratungspraxis bedeutet das mehr Rechtssicherheit“, so Alexander Veith, Partner bei Allen & Overy. „Da der EuGH der bislang herrschenden Auffassung folgt und das Urteil auch mit der Praxis der BaFin übereinstimmt, muss die Beratungspraxis allerdings nicht wesentlich umgestellt werden.“
In der zweiten Frage folgt der EuGH entgegen dem sonst üblichen Vorgehen nicht dem Generalanwalt. Dieser hatte die Ansicht vertreten, dass ein in der Zukunft liegender Umstand, der in hohem Maße geeignet ist, den Aktienkurs zu beeinflussen, bereits dann eine Insiderinformation darstellt, wenn der Eintritt des Umstandes zwar offen, aber weder unmöglich noch unwahrscheinlich ist. „Dem tritt der EuGH deutlich entgegen“, so Veith. Die Frage nach der erforderlichen Eintrittswahrscheinlichkeit sei unabhängig vom Kursbeeinflussungspotenzial des zukünftigen Umstandes zu beantworten. Umstände, deren Eintritt nicht wahrscheinlich ist, können demnach nicht als Insiderinformation eingestuft werden. Andererseits ist aber auch keine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr muss eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte ergeben, dass der Eintritt des zukünftigen Umstandes tatsächlich erwartet werden kann.
Eine klare Aussage, dass eine Insiderinformation erst dann vorliegt, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit eines zukünftigen Umstandes größer ist als 50%, hat der EuGH damit zwar nicht getroffen. Geklärt ist aber, dass auch Zwischenschritte bereits Insiderinformationen darstellen können und Unternehmen sich daher frühzeitig über eine Befreiung von der Ad-hoc-Pflicht Gedanken machen und Entscheidungen in diesem Zusammenhang sorgfältig dokumentieren müssen.