Keine Entwarnung für die Chemie
Für die Chemiebranche – und kraft deren Position als Frühwarnsystem am Beginn der meisten Produktions-Wertschöpfungsketten auch für die gesamte deutsche Industrie – täte man jedenfalls gut daran, weiter das Schlimmste zu befürchten, erklärte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup beim Presseabend (8.3.) in Frankfurt.
Auch wenn der Gaspreis schon wieder fast auf Vorkriegsniveau liegt, fangen die Schwierigkeiten für die deutschen Chemieunternehmen wohl gerade erst richtig an. In diese Richtung deuten auf jeden Fall die 2022er-Zahlen: Die Chemie- und Pharmaproduktion zusammengenommen ging lt. VCI-Zahlen seit Frühjahr immer stärker zurück (Q4; -14%), ohne Pharma wurde 2022 fast 12% weniger produziert als im Vorjahr. Die Erfolge beim Energiesparen kommen schließlich zum Großteil daher, dass Anlagen in Deutschland abgestellt und Importe hochgefahren wurden. Diese Situation „schönzureden und zu träumen“, so Große Entrup, wäre für die deutsche Wirtschaft insgesamt „schlicht lebensgefährlich“. Für 2023 rechnet der VCI mit einem weiteren Rückgang der Produktion von 5%. Ohne Gegensteuern drohe bald eine breite Abwanderung der energieintensiveren Produktionszweige.
Dazu kommt noch, dass seit Q3 auch die Erzeugerpreise wieder sinken. Mit der anfangs noch recht erfolgreichen Weitergabe höherer Kosten an die Abnehmer dürfte es also erst einmal vorbei sein. Zusätzlich zu den bekannten Verbands-Vorschlägen zur Lösung des hiesigen „Standortproblems“ – bessere Infrastruktur, effizientere Behörden, weniger Regulierung – legte Große Entrup darum noch eine ganz konkrete Forderung auf den Tisch: Als „Brücke“ und für einen befristeten Zeitraum bräuchte es einen Industriestrompreis, der eher bei 5 als bei 10 Cent/kWh liegen müsste. np