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Lagarde hält September-Zinsschritt offen – Investoren unbeeindruckt

Die Kritik an der Kommunikation im Vorfeld der Juni-Sitzung der EZB hat Christine Lagarde offenbar im Hinterkopf behalten. Experten und sogar einige Ratskollegen hatten ihr damals vorgeworfen, sich im Vorfeld zu stark auf eine Zinssenkung festgelegt zu haben. Die Notenbank hätte dadurch kaum eine andere Wahl gehabt.

Christine Lagarde, EZB-Präsidentin
Christine Lagarde, EZB-Präsidentin © Claudio Antonio De Angelis/ECB

Am Donnerstag vermied die EZB-Präsidentin klare Signale. Die Entscheidung auf der nächsten Sitzung im September sei „weit offen“. Sie bemühte sich spürbar, den Argumenten für und gegen eine baldige Lockerung der Geldpolitik möglichst ähnlich viel Gewicht zu geben. So betonte sie, dass die Preisentwicklung bei Dienstleistungen nach wie vor hoch sei. Auf der anderen Seite führte sie den Inflationsanstieg im Euro-Raum im Mai auf Einmalfaktoren zurück und verwies darauf, dass die meisten Preisdaten im Juni stabil geblieben oder zurückgegangen seien.

Zumindest bei Investoren drang Lagarde mit ihrer Botschaft aber nicht durch. Nach der Ratssitzung preisten die Terminmärkte die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung im September mit 80% ein und damit noch höher als vor der Pressekonferenz. Lagarde sprach von einem „arbeitsreichen“ Sommer angesichts der vielen Daten im Vorfeld der September-Sitzung. Auf welche davon sie und ihre Ratskollegen besonders achten werden, wollte sie aber nicht verraten. Neben der Zinsentwicklung ging Lagarde auch auf die geplante Strategieüberprüfung der EZB ein. Diese werde bald beginnen und voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2025 abgeschlossen sein. Zwei kontroverse Themen sollen dabei bewusst nicht zur Sprache kommen: Das Inflationsziel von glatt zwei Prozent und eine mögliche Veröffentlichung von Zinsprognosen („dot plots“). Ersteres hatte die EZB nach der letzten großen Strategieüberprüfung 2021 angepasst. Zuvor strebte sie einen Wert von „unter, aber nahe“ 2% auf mittlere Sicht an.

Auch der Vorschlag von EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel, Zinsprognosen des EZB-Rats nach dem Vorbild der US-Notenbank zu veröffentlichen, erhitzte die Gemüter. Einige Ratsmitglieder hatten diesen Vorstoß kritisiert. Bereits im Juni bezeichnete Lagarde den Vorschlag als „interessantes Konzept“, was im angelsächsischen Sprachgebrauch in der Regel eher abfällig gemeint ist. Eine Frage an Lagarde bezog sich auch auf die jüngste Umfrage unter EZB-Mitarbeitern, nach der fast 40% Burn-out gefährdet sein sollen. Hierzu antwortete sie jedoch nur sehr allgemein und betonte, dass viele Mitarbeiter der Notenbank sehr hart arbeiten würden, wofür sie sehr dankbar sei. Zudem verwies sie auf Programme, um Mitarbeitern zu helfen, die Probleme hätten. Diese seien seit Beginn ihrer Amtszeit im November 2019 ausgebaut worden. jam

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