Nachhaltigkeit bestimmt Arbeit von Aufsichtsräten
Die meisten der befragten AR-Mitglieder (78%) sehen sich von Nachhaltigkeitsentwicklungen beeinflusst und betroffen. Ein Drittel (34%) äußerte sogar eine starke Betroffenheit, die mit sehr grundlegenden Veränderungen des Geschäftsmodells und einschneidenden Maßnahmen verbunden ist. Ein weiteres Drittel (31,9%) geht von einer „mittleren Betroffenheit“ aus, die viele Einzelmaßnahmen erfordert, aber keine grundlegenden Auswirkungen auf das Geschäftsmodell hat. Knapp über 12% der Unternehmen sehen ihr Geschäftsmodell sogar als „nachhaltigkeitsgetrieben“ an, d.h. sie profitieren von den aktuellen bzw. zu erwartenden Entwicklungen.
Auch in der Diskussion nimmt das Thema mittlerweile einen wichtigen Platz ein: Mehr als die Hälfte der Befragten (63%) schätzt die Gremienbefassung zwischen „intensiver“ und „sehr intensiv“ ein. 30,1% sehen die Befassungsintensität als „neutral“ an, während lediglich 5,5% von einer wenig intensiven Befassung sprechen. „Intensität und Tiefe der Befassung mit Nachhaltigkeit werden noch deutlich zunehmen, vor allem, weil es nach den zu erwartenden künftig einheitlichen Standards große Herausforderungen bei der Ermittlung der relevanten Daten für die Nachhaltigkeitsberichte gibt“, glaubt Arno Probst, Leiter des Center for Corporate Governance bei Deloitte.
Zunehmende Bedeutung der Nachhaltigkeitsberichterstattung
In einem zweiten Fragenblock wurden die aktuelle CSR-Berichterstattung und deren Prüfung durch den Aufsichtsrat thematisiert. Hier sticht hervor, dass eine überwältigende Mehrheit (90,1%) die verlässliche Erhebung der qualitativen und quantitativen Daten und deren Nachweise im Rahmen der Corporate Governance-Systeme als große Herausforderung ansieht. Zudem erkennen 76,1% der Antwortenden eine deutliche Zunahme der Bedeutung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Auch wenn heute noch fast 44% der nichtfinanziellen Berichterstattung „bei Weitem“ nicht den Stellenwert der Finanzberichterstattung zumessen, trifft mit ca. 42% fast die gleiche Anzahl die Aussage, dass die nichtfinanzielle Berichterstattung künftig in der Relevanz mit der Finanzberichterstattung gleichauf sein wird.
Sustainable Corporate Governance wird kontrovers diskutiert
Als drittes Thema stand die Einschätzung der befragten Aufsichtsräte zu weiteren Reformüberlegungen zur rechtlichen Verankerung der Nachhaltigkeit im Rahmen der Corporate Governance im Vordergrund. Bei diesem aktuell diskutierten „Sustainable Corporate Governance“-Rahmen geht es u.a. darum, Unternehmensleitungen auf die Interessen aller relevanten Stakeholder (nicht nur Shareholder) zu verpflichten. Dabei wurde deutlich, dass mehr als die Hälfte (54,2%) eine derartige Verpflichtung vor dem Hintergrund der Shareholder-Interessen für zu weitgehend halten. Lediglich ein knappes Fünftel (19,4%) der Befragten kann sich eine Erweiterung der Stakeholder-Interessen vorstellen.
Bemerkenswert sei, so Studienleiter Probst, dass weitere 26,4% sich für keine der zwei vorgegebenen Alternativen entscheiden können. Dies zeige einmal mehr die ambivalenten Auffassungen der Befragten zu diesem Thema. „Sustainable Corporate Governance wird uns mit den in Kürze zu erwartenden weiteren Vorschlägen der EU in den nächsten Monaten intensiv begleiten.“
Ausblick
Die EU-Kommission diskutiert derzeit auch eine weitere Regulierung der Sustainable Corporate Governance. Mit Regulierungsentwürfen werde in den kommenden Wochen zu rechnen sein, so Patrick Velte, Professor an der Leuphana Universität Lüneburg. „Analog zum deutschen Lieferkettengesetz ist zum einen der Erlass einer Richtlinie zum nachhaltigen Lieferkettenmanagement auf EU-Ebene geplant. Diese soll voraussichtlich weitaus restriktiver ausfallen als das deutsche Lieferkettengesetz.“ Zum anderen werde derzeit kontrovers auf EU-Ebene diskutiert, zusätzlich auf Ebene des Vorstands und Aufsichtsrats Regulierungen zu erlassen, um die Anreize für ein Nachhaltigkeitsmanagement zu stärken. „Insofern könnte die Nachhaltigkeit zur DNA der künftigen Aufsichtsratsarbeit werden“, so Velte.