Geldpolitik

Product Governance-Vorschriften mit Spielraum

Anfang April 2016 erließ die EU-Kommission eine delegierte Richtlinie zur Ergänzung der MiFID II, die unter anderem Produktüberwachungsanforderungen (Product Governance Requirements) weiter konkretisiert. Dabei stützt sich die Kommission im Wesentlichen auf den Vorschlag der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) aus ihrem Final Report von Mitte Dezember 2014, weicht jedoch in einigen Bereichen von diesem ab. Nachfolgend erläutern Bernd Geier und Katja Michel von Dentons die neuen Product Governance-Regeln im Hinblick auf Besonderheiten, Abweichungen vom ESMA-Vorschlag und deren praktische Auswirkungen.

Auffallend ist zunächst, dass die EU-Kommission den Erlass der Product Governance-Anforderungen in Richtlinien- statt in Verordnungsform vorschlägt. Dies eröffnet den Mitgliedstaaten einen weiten Umsetzungsspielraum; die Regelungen müssen in nationales Recht erst noch umgesetzt werden. Sie sind lediglich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Die EU-Mitgliedstaaten werden diesen Ermessensspielraum ausnutzen. Eine unterschiedliche Ausgestaltung der Product Governance-Anforderungen in den Mitgliedstaaten ist daher zu erwarten. Damit geht eine Herausforderung für grenzüberschreitend tätige Wertpapierfirmen einher, die etwaige Besonderheiten in den mitgliedstaatlichen Umsetzungen identifizieren und gegebenenfalls befolgen müssen. Dies gilt insbesondere, falls die einzelnen EU-Mitgliedstaaten die Bestimmung des Zielmarkts für Finanzinstrumente unterschiedlich umsetzen.

Entscheidend sind Größe und Produktart

Neu ist, dass die Umsetzung der Product Governance-Anforderungen unter Verhältnismäßigkeitsvorbehalt gestellt wird. Bei der Bestimmung der Verhältnismäßigkeit spielen – nach Erwägungsgrund (18) der delegierten Richtlinie – insbesondere die „Komplexität des Produkts““ und der „Grad der öffentlichen Verfügbarkeit von Informationen““ eine Rolle. Zudem kann unter anderem bei der Ausgestaltung der Prozesse beispielsweise der Größe des betroffenen Herstellers („Konzepteurs““) / des Vertriebs („Vertreibers““) Rechnung getragen werden. Dies ermöglicht den Gesetzgebern der EU-Mitgliedstaaten, kleine Marktteilnehmer gegebenenfalls weitgehend von den Anforderungen auszunehmen und auch im Hinblick auf bestimmte Produktgruppen geringere Anforderungen zu verankern.

Compliance-Funktion in einer Wächterrolle

Die delegierte Richtlinie stellt klar, dass die an der Konzeption und am Vertrieb von Finanzinstrumenten beteiligten Mitarbeiter tatsächlich über die nötige Sachkenntnis verfügen müssen, um die Merkmale und Risiken der Finanzinstrumente, die sie konzipieren bzw. anbieten oder empfehlen wollen, zu verstehen. Die insoweit missverständliche Alternative im Vorschlag der ESMA, nach der es ausreichend sein sollte, dass die relevanten Mitarbeiter eine adäquate Ausbildung („appropriate training““) erhalten, wurde nicht übernommen. Ferner implementiert die Kommission die im ESMA-Vorschlag vorgesehene Wächterrolle der Compliance-Funktion über die Produktüberwachungsvorkehrungen. Hieran ändert auch der sprachliche Wechsel von „oversee““ zu „monitor““ in der englischen Sprachfassung vermutlich nichts. Beide Formulierungen laufen auf eine Überwachung hinaus. Zudem sind keine Indizien dafür ersichtlich, dass die Kommission die Rolle und die Verantwortung der Compliance-Funktion für effektive Produktüberwachungsvorkehrungen eingrenzen wollte.

EU-Kommission setzt auf Vergleichbarkeit

Die delegierte Richtlinie erweitert für Hersteller die Anforderungen an die Bestimmung des Zielmarkts. Sie werden verpflichtet, ihre theoretischen Kenntnisse und bisherigen Erfahrungen auch im Hinblick auf „vergleichbare Finanzinstrumente““ zu berücksichtigen. Eine Fokussierung auf das konkret konzipierte Finanzinstrument, so der Vorschlag der ESMA, genügt auf der Basis der Kommissionsfassung nicht. In diesem Zusammenhang wird entscheidend werden, wie „vergleichbare““ Finanzinstrumente künftig identifiziert werden.

Zumutbarkeit für den Vertrieb

Die im ESMA-Vorschlag enthaltene Verpflichtung für den Vertrieb, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, um Produktinformationen von einem nicht der MiFID II unterliegenden Hersteller zu erhalten, hat die Kommission weitgehend verändert. So strich sie im Falle der Unverfügbarkeit von öffentlichen Informationen das Erfordernis, eine Vereinbarung zur Übermittlung der Informationen mit dem Hersteller zu schließen. Der Vertrieb ist nunmehr lediglich verpflichtet, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, um die relevanten Informationen vom Hersteller oder dessen Beauftragten zu erlangen.

Fazit

Insgesamt hat sich die Kommission bei der Umsetzung der Produktüberwachungspflichten eng am Vorschlag der ESMA orientiert. Bemerkenswert ist die Einführung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Anwendung der Product Governance-Regeln. Ob hierdurch die Belastungen für vor allem grenzüberschreitend tätige Wertpapierfirmen reduziert werden, wird man abschließend erst vor dem Hintergrund der mitgliedstaatlichen Umsetzungen bewerten können.

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