Geldpolitik

Veränderte Regularien fördern alternative Finanzierungsformen

Direct Lending ist als Alternative zu herkömmlichen Finanzierungsformen in aller Munde, Begriff und Strukturen sind jedoch noch im Fluss. Eine Marktpraxis bildet sich gerade erst heraus und Erfahrungen mit Restrukturierungen gibt es bislang kaum. Frank Grell und Jörn Kowalewski von der Kanzlei Latham & Watkins beschäftigen sich nachfolgend mit den Chancen und Risiken, die Direct Lending bieten kann.

26. Januar 2016

Unter Direct Lending versteht man die Vergabe von Unternehmenskrediten durch Kreditfonds (Private Debt Funds). Direct Lending bietet eine Alternative zu klassischen Bankfi-nanzierungen, High Yield-/Mittelstandsanleihen, Schuldscheinen und sonstigen Finanzierungsoptionen. Die Einsatzgebiete von Direct Lending sind vielfältig: Unternehmen, die Wachstum finanzieren oder sich refinanzieren wollen, greifen ebenso darauf zurück wie Unternehmen in Sanierungssituationen (in Form eines Überbrückungs- oder Sanierungskredits) oder insolvente Unternehmen (in Form eines Massekredits). Direct Lending spielt überdies eine Rolle bei Exit-Finanzierungen und als Finanzierung für LBO-Sponsoren. Die Volumina bewegen sich derzeit hauptsächlich im Mittelstandsbereich. Die Strukturen von Direct Lending sind schlank und variabel. Die Kapitalstruktur des Unternehmens bleibt übersichtlich, da Senior- und Mezzanine-Finanzierung in einem einheitlichen Kreditvertrag zusammengefasst werden (sog. Unitranche). Die Unitranche wird häufig durch eine Betriebsmittellinie ergänzt. Eine Stufung zwischen mehreren Kreditgebern wird allenfalls in deren Innenverhältnis vorgenommen. Direct Lending-Finanzierungen sind zudem nicht auf Syndizierung angelegt, der Kreditfonds baut somit eine langfristige Beziehung zum Unternehmen auf. Die Besicherung ist bankenüblich und die Fälligkeiten häufig als Endfälligkeit ausgestaltet (bullet repayment). Sowohl die Intensität der Due Diligence als auch die Bedingungen des Kreditvertrags selbst können individuell festgelegt werden.

Vorteile für Unternehmen

Aus Unternehmenssicht bietet Direct Lending viele Vorteile: Es eröffnet eine Finanzierungsmöglichkeit in Situationen, in denen Banken auf Grund zunehmender Regulierung keine Finanzierung bereitstellen (können). Direct Lending bietet hohe Individualität, z.B. durch auf das konkrete Unternehmen zugeschnittene Covenants im Kreditvertrag. Die Kapitalstruktur des Unternehmens bleibt übersichtlich. Es fallen keine Kosten für umfangreiche Dokumentation mehrerer Kreditfazilitäten und die spätere Syndizierung an. Die Endfälligkeit schont die Liquidität während der Laufzeit. Der Kreditfonds ist zentraler Ansprechpartner und bietet einen „one stop shop““ für die Unternehmensfinanzierung (ggf. zuzüglich Betriebsmittellinie). Er verhält sich als langfristiger Partner idealerweise unternehmerisch und hat gleichläufige Interessen. Der hohe Investitionsdruck bei Kreditfonds gewährleistet kreditsuchenden Unternehmen schließlich eine hohe Umsetzungswahrscheinlichkeit und -geschwindigkeit.

Rechtlicher Rahmen

Mehrere europäische Länder haben Direct Lending in den vergangen Jahren auf Grund einer teilweise zurückhaltenden Kreditvergabe durch Banken deutlich erleichtert. In Deutschland hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihre Verwaltungspraxis dahingehend geändert, dass nun die Ausgabe und Restrukturierung von Darlehen durch bestimmte inländische Alternative Investment Fonds ohne Banklizenz zulässig ist. Auch Kreditfonds mit Investmentvermögen und Management in anderen europäischen Mitgliedsstaaten dürften sich hierauf berufen können. Für Nicht-EU-Kreditfonds gilt dies nicht. Diese können weiterhin nur mit bestimmten Strategien (z.B. Einschaltung einer fronting bank; Beschränkung auf reverse solicitation) ohne Banklizenz agieren.

Beratungsbedarf im Hinblick auf Restrukturierungen

Restrukturierungen unter Beteiligung von Kreditfonds können sehr dynamisch verlaufen – und zwar unabhängig davon, ob der Kreditfonds bereits seit längerem engagiert ist oder im Rahmen der Restrukturierung erstmals in Erscheinung tritt. Zwar werden Kreditfonds bei langfristigem Engagement grundsätzlich darauf bedacht sein, den Wert ihres Investments zu schützen, und nicht auf Kosten des Unternehmens kurzfristige Gewinne zu realisieren. Sie sind auf Grund ihrer zentralen Stellung in der Kapitalstruktur aber sehr starke und aktive Verhandlungspartner. Dies erlaubt einerseits schnelle Entscheidungen und flexible Lösungen und wird andererseits komplex, wenn Kreditfonds Strategien in Richtung einer Kontrollübernahme/Umwandlung ihrer Kredite in Anteile am Unternehmen (Debt-Equity-Swap) verfolgen. Eine weitere Dynamisierung kann auch daraus resultieren, dass der jeweilige Kreditfonds auf Grund interner Regularien nicht zu einer Neuinvestition in der Lage und damit zum Verkauf des Kredits oder zur Einschaltung weiterer Finanzierungspartner gezwungen ist. Die ersten großen Restrukturierungsrunden im Bereich Direct Lending stehen noch aus. Die ersten Erfahrungen werden jedoch insbesondere in Strukturen mit Endfälligkeiten nicht lange auf sich warten lassen. Daher sollten sich Unternehmen, die über Direct Lending nachdenken, frühzeitig Beratung einholen. Das gilt erst recht, wenn die Sanierungssituation schon eingetreten ist und Direct Lending erstmals zum Einsatz kommen soll.

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