Politik

Wirecard-Lehren müssen über den Wahlkampf hinaus wirken

Es sind Olaf Scholz-Wochen vor den Untersuchungsausschüssen der Republik. In Hamburg muss der ehemalige Bürgermeister und aktuelle SPD-Kanzlerkandidat am 30.4. zum Thema Cum-Ex aussagen, in Berlin am Donnerstag zu Wirecard.

20. April 2021
Wirecard war 2020 in aller Munde
© Wirecard

Zum Glück für den Bundesfinanzminister diktiert an der Alster die SPD zusammen mit den Grünen den Zeitplan. So muss Scholz nach dieser frühen Befragung erst wieder im Dezember antanzen. Auch im Berliner Ausschuss ist nach dieser Woche, in der die letzten Zeugen befragt werden, für ihn Schluss. Dabei führt der bei Wirecard weit verbreitete Eindruck, dass allein die dem Finanzminister unterstehende BaFin den Schaden für Anleger und Reputation des deutschen Kapitalmarkts hätte verhindern können, ohnehin in die Irre.

Es geht um falsch verstandene Standortpolitik bzw. platten Lobbyismus wie auch um zahnlose, weil vom Auftraggeber bezahlte Wirtschaftsprüfer. Peter Altmaier, dessen Ministerium für die Wirtschaftsprüferaufsicht Apas zuständig ist, und CSU-Digitalstaatsministerin Dorothee Bär, die versucht hatte, ein Treffen zwischen dem damaligen Wirecard-Chef Markus Braun und der Kanzlerin einzufädeln, wurden denn auch nicht ohne Grund bereits am Dienstag vom Ausschuss befragt. Angela Merkel muss sich am Freitag fragen lassen, warum sie, wohl auf Bitten von Karl-Theodor zu Guttenberg, trotz Anhaltspunkten für Unregelmäßigkeiten, in China noch die Trommel für Wirecard gerührt hatte.

Im Fokus steht allein die viel kritisierte Aufsicht. Vom Eigenhandel von BaFin-Mitarbeitern bis hin zur fehlenden Eigeninitiative bei Betrugsverdacht sind dort viele Fehler gemacht worden (s. PLATOW v. 16.4.). Der bisherige FINMA-Chef Mark Branson, der im Sommer nach Bonn umzieht, steht vor einer Herkulesaufgabe. Bransons angelsächsisch geprägte Denkweise mag im Umgang mit Banken helfen. In der Schweiz hat er selten die Konfrontation gescheut, auch nicht mit den Branchenriesen, wenngleich wie zuletzt bei Credit Suisse sichtbar, eklatante Mängel im Risikomangement unbeanstandet blieben. Die Reform der im Vergleich zur FINMA fünfmal größeren BaFin gelingt indes nur mit entsprechender politischer Rückendeckung und Bereitschaft auch in der neuen Legislatur. Gleiches gilt für die erheblichen Versäumnisse, die Wirecard bei Wirtschaftsprüfern zutage gefördert hat.

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