Der Investmentmarkt lebt
Der Knick nach der Finanzkrise war denn auch eher ein technischer Abbruch aufgrund fehlender Bewertungen, Covenantbrüchen und von einzelnen Notverkäufen oder betraf typische Boomsegmente. Nach wenigen Monaten war der Investmentmarkt wieder funktionsfähig. Das sollte im Grundsatz auch diesmal so sein. Allerdings ändern sich die Risiken der Immobilieninvestments. Das müsste zu Preiskorrekturen insbesondere bei Vermietungsrisiken führen. Gleichzeitig haben steigende Leerstände, wachsende Bonitätsrisiken, Mietausfälle und eventuell sinkende Nachvermietungsmieten deutliche Auswirkungen auf die risikogewichtete Rendite bzw. den Multiplikator bei gleichzeitig sinkenden Mieteinnahmen. Die multiplikative Verknüpfung könnte leicht den meist zweistelligen Total Return der vergangenen Dekade in die Gegenrichtung drehen.
In „normalen“ Zeiten und unter „normalen“ Umständen würde JLL mit Blick auf die bloßen Zahlen das Plus von 31% auf 42,5 Mrd. Euro sicherlich als erfreulich werten. Nach Recherche von BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) ermitteln sich aufgrund des außergewöhnlichen Investmentumsatzes im Q1 insgesamt gut 42 Mrd. Euro, die sich aus knapp 29,4 Mrd. Euro Gewerbe und knapp 12,7 Mrd. Euro Wohnimmobilienportfolios zusammensetzen. Ähnlich wie im Vermietungsmarkt gilt auch für die Investmentstatistik, dass der Vorlauf aus dem vergangenen Jahr und das starke erste Quartal mit einem Plus von 80% laut JLL das Zahlenwerk retten. Mit rund 10,8 Mrd. Euro wurde laut BNPPRE im Q2 der Vorjahreswert jedoch um 19% verfehlt. Paketverkäufe konnten mit 14,2 Mrd. Euro ihren Umsatz mehr als verdreifachen. Einzeldeals gingen mit knapp 15,2 Mrd. Euro um fast ein Viertel zurück.
Die gemittelte Büro-Spitzenrendite liegt mit 2,91% im 12-Monatsvergleich noch einmal 15 Basispunkte niedriger. Große Private Equity-Investoren sammeln nach wie vor Unmengen an Kapital ein, berichtet JLL-Chefresearcher Helge Scheunemann. Für die weitere Entwicklung bis zum Jahresende werde es keine Veränderung bei den Büro-, Fachmarkt- und Logistikrenditen geben. Sinkende Multiplikatoren seien bei Shopping-Centern zu erwarten, prognostiziert Scheunemann. BNPPRE sieht die Netto-Spitzenrenditen insgesamt in den großen Städten unverändert. Mit 2,6% bzw. einem Multiplikator von fast 40 liegen sie in Berlin und München weiterhin am niedrigsten. Gemeinsam auf dem dritten Platz folgen Frankfurt und Hamburg mit jeweils 2,8%. Außerhalb der vier absoluten Top-Standorte, also in Köln, Düsseldorf und Stuttgart, sind unverändert 3% anzusetzen.
Die Assetklasse Living („Alles mit Bett“) hat sich als transaktionsstärkster Sektor bestätigt. Büroinvestments bleiben mit 22% und 9,4 Mrd. Euro bei JLL bzw. 35% und 10,4 Mrd. Euro bei BNPPRE die wichtigste Assetklasse. Insgesamt wurden 730 Gewerbe-Transaktionen erfasst. Trotz der Wirkungen des Lockdowns zeige sich, dass von einem teilweise prognostizierten Stillstand der Investmentmärkte keine Rede sein könne und viele Investoren weiter an deutsche Immobilien und eine Fortsetzung der positiven Trends glauben, erläutert BNPPRE-CEO Piotr Bienkowski. Im Value Add-Segment würden Investoren allerdings aufgrund der Unsicherheit über die zukünftige Marktentwicklung durchaus spürbare Risikoabschläge kalkulieren, meint BNPPRE.
Die Standortumsätze unterscheiden sich zwischen JLL und BNPPRE durch verschiedene Definitionen. JLL errechnet insgesamt gut 18 Mrd. Euro (+4%) für die deutschen A-Standorte Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart. BNPPRE addiert auf knapp 14,4 Mrd. Euro mit ebenfalls +4%. Die meisten Investoren gingen davon aus, dass Deutschland ähnlich wie nach der Finanzkrise die schnellste Erholung hinlegen dürfte, berichtet Bienkowski. Daher sei ein Investmentumsatz von über 50 Mrd. Euro möglich, womit der zehnjährige Schnitt spürbar übertroffen werden könnte. JLL rechnet für das Gesamtjahr 2020 sogar mit einem Volumen von rund 70 Mrd. Euro.