Immobilien

Die Immobilienwirtschaft als Krisengewinner?

Auch auf der „Handelsblatt“-Tagung zeigte die Branche ein gespaltenes Bild. Dafür sorgte nicht nur die linke Berliner Szene, die mit dem Spiel „Fang den Bus der Immobilienwirtschaft“ den meisten Teilnehmern die neue Erfahrung vermittelte, in einem Fluchtbus zu sitzen, der im Sinne der Demonstranten beliebig durch die Bundeshauptstadt gejagt oder blockiert wurde. Gegen blockierte Straßenbahnen ist auch eine Polizei-Hundertschaft machtlos.

Die Wissenschaft sieht die Schuldenkrise geradezu als Segen für die Immobilienwirtschaft. Wie auch der deutsche Vorzeigewissenschaftler, ifo-Chef Hans-Werner Sinn, sah auf der „Handelsblatt“-Veranstaltung der ehemalige Vorsitzende des Sachverständigenrates Wolfgang Wiegard die Immobilie generell als Krisenprofiteur. Die privaten Kapitalexporte sind zurückgegangen. Das Sparkapital wird in Deutschland investiert. Der deutsche Immobilienmarkt ist für ausländische Investoren interessant geworden. Die Hypothekenzinsen sind auf historischen Tiefständen. Abgesehen von eher langfristigen Demografie-Risiken seien die Aussichten für die deutsche Immobilienwirtschaft in den nächsten Jahren durchweg positiv, prognostizierten die Wissenschaftler.

PLATOW mahnt bei der Klassifizierung der Immobilie eher eine Differenzierung an. Aus geplagter Insidersicht stellt sich die Frage, ob die „Analyse“ der Professoren nicht durch deren persönliche Wahrnehmung der Wohnungsmarktentwicklung geprägt ist. Bei Gewerbe tut sich lediglich auf den Core-Märkten etwas. Offene und geschlossene Fonds sind in einer harten Konsolidierungsphase mit Niveautransformation. Im Projektentwickler-Geschäft und im breiten Markt der eher durchschnittlichen Gewerbeimmobilien mit Schönheitsfehlern oder Lagedefiziten bietet die deutsche Kreditlandschaft vor dem Hintergrund von Basel III keine Lösungen mehr.

Frank Pörschke, Deutschland-Chef von Jones Lang LaSalle, sieht die Finanzierungssituation in der Immobilienwirtschaft Europas deutlich anders als die allgemeine Kreditsituation. Um die Kernkapitalquote von 9% zu erreichen, bauen zahlreiche Banken Risikoaktiva ab und sind sehr vorsichtig geworden. Es gebe keine Erholung des CMBS-Marktes auf absehbare Zeit. Viele Banken seien vollständig oder teilweise aus der gewerblichen Immobilienfinanzierung ausgestiegen. Alternative Finanzierungsformen und neue Kreditgeber aus der Versicherungswirtschaft könnten den Abgang nicht ersetzen, ergänzt Pörschke. Deals über 50 Mio. Euro bleiben Ausnahmen. Der Beleihungsauslauf im Senior-Bereich sei maximal 60% bis 70%. Gewünscht sei „Core“ mit langen Mietvertragslaufzeiten, Spitzenqualität der Immobilie und Top-Bonität des Mieters. Außerhalb der A-Lagen der Big 7 bestünde bei Büro wenig Interesse. Damit ließen sich die Schwierigkeiten von „Nicht-Core-Immobilien“ nicht lösen. Risikovermeidung bestimme das Handeln aller Akteure. Die Rendite-Lücke zu „Secondary“ öffne sich weiter. Nur im Spitzensegment gebe es noch moderate Wertzuwächse, so Pörschke.

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