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EU-Kommission und europäische Grundrechte im Konflikt

Seit Inkrafttreten der Grundrechtscharta der Europäischen Union (EU) am 1.12.2009 stellen Unternehmen die Ermittlungsbefugnisse der EU-Kommission in Kartellfällen zunehmend grundsätzlich in Frage und greifen diese vor den europäischen Gerichten an – bisher meist ohne Erfolg.

Erst kürzlich bestätigte das Gericht der EU die geltenden Regeln über die Nachprüfungsbefugnisse der Kommission und wies die zugrunde liegenden Klagen der Deutschen Bahn ab. Es verstoße weder gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung noch gegen den Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, dass die Kommission für die Nachprüfungen bei Unternehmen grundsätzlich keines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses bedürfe. „Das Urteil beinhaltet jedoch auch prägnante Ausführungen dazu, welche Grenzen die europäischen Grundrechte der Kommission bei der Ausübung ihrer Nachprüfungsbefugnisse setzen“, erläutert Markus Röhrig,Partner im Brüsseler Büro der Kanzlei Hengeler Mueller.

Grundlage für Durchsuchungen der Kommission bei Unternehmen ist i. d. R. eine sogenannte Nachprüfungsentscheidung, die ähnliche Angaben wie ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss enthält. Die Nachprüfungsentscheidung wird allerdings von der Kommission selbst erlassen. „Ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss ist nur erforderlich, wenn die Kommission mit Hilfe der nationalen Behörden gegen den Widerstand eines Unternehmens gegen die Nachprüfung vorgehen will oder wenn sie die Privatwohnungen von Mitarbeitern des Unternehmens durchsuchen möchte“, so der Kartellrechtsexperte.

Diese Regelung ist dem Gericht nach mit der Grundrechtscharta vereinbar. Entscheidend sei, dass der europäische Gesetzgeber den Nachprüfungsbefugnissen einen hinreichend strikten Rahmen gesetzt und die Kommission ihre Befugnisse innerhalb dieses Rahmens ausgeübt habe. Dabei stellt das Gericht aber ausdrücklich fest, dass die Kommission dem Unternehmen bei ihrem Eintreffen und während der Nachprüfung eine angemessene, wenn auch kurze Frist einräumen muss, damit es mit Hilfe seiner Anwälte den Nachprüfungsbeschluss prüfen kann. Das Gericht stellt zudem klar, dass die Kommission nicht mit Sanktionen drohen darf, um von den Unternehmen Zugeständnisse zu erlangen, die über die strikten Grenzen ihrer Mitwirkungspflicht hinausgehen. Das Urteil schließt an eine Entscheidung von Ende 2012 an, in dem sich das Gericht bereits mit den Nachprüfungsbefugnissen der Kommission auseinandergesetzt hat. Damals stellte das Gericht klar, dass die Kommission ihre Nachprüfung nur auf diejenigen Tätigkeitsbereiche eines Unternehmens erstrecken darf, hinsichtlich derer sie tatsächlich über hinreichend ernsthafte Indizien für einen Verstoß verfügt.

„Die Ermittlungsbefugnisse der Kommission werden vor allem von Unternehmen aus Ländern, die wie Deutschland über eine sehr stark ausgeprägte richterliche Kontrolle behördlicher Maßnahmen verfügen, kritisch betrachtet“, sagt Anwalt Röhrig. „Eine grundlegende Änderung der Befugnisse der Kommission ist allerdings auch nach Inkrafttreten der Grundrechtscharta nicht zu erwarten. Sie bietet den Gerichten jedoch Gelegenheit, die Grenzen der Ermittlungsbefugnisse der Kommission klarer herauszuarbeiten.“

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