Exklusiv

EZB-Ratsmitglied warnt vor Unterschreitung des 2%-Inflationsziels

Der griechische Notenbankchef Yannis Stournaras rechnet mit einem schwächeren Wachstum im Euro-Raum als von der EZB im Juni prognostiziert. „Die erneuten Anzeichen einer schwachen Wirtschaftsentwicklung und die große Unsicherheit werden die Inflation sehr wahrscheinlich stärker dämpfen als erwartet“, sagte er im Interview mit dem PLATOW Brief.

Yannis Stournaras, Präsident der Bank von Griechenland
Yannis Stournaras, Präsident der Bank von Griechenland © Bank of Greece

„Dies deutet darauf hin, dass mittelfristig das Risiko besteht, das Inflationsziel von 2% zu unterschreiten.“ Insgesamt sieht Stournaras bei der Inflationsentwicklung Risiken in beide Richtungen. „Wir sollten gleichermaßen besorgt sein, sowohl was die Überschreitung als auch was die Unterschreitung des Inflationsziels betrifft.“

Einige Wirtschaftsdaten für den Euro-Raum waren zuletzt unerwartet schwach ausgefallen. So ist zum Beispiel der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor im Euro-Raum im Juli überraschend gefallen. „Die Zahlen deuten darauf hin, dass das Wachstum im Euro-Raum einen Dämpfer bekommen hat und die wirtschaftliche Dynamik nachlässt“, sagte Stournaras.

Er mache sich Sorgen über die Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe und bei der Industrieproduktion. Zudem berge die zunehmende geopolitische Fragmentierung Risiken. „Besonders beunruhigend ist der Rückgang des Vertrauens der Unternehmen in den beiden größten Volkswirtschaften des Euro-Raums, Deutschland und Frankreich.“ In ihren Prognosen geht die EZB davon aus, dass die Wirtschaft im Euro-Raum in diesem Jahr um 0,9% wachsen wird. Stournaras rechnet zwar auch mit Wachstum, aber auf einem niedrigeren Niveau.

Mit Blick auf die Zinspolitik hält er an seinen zuletzt geäußerten Erwartungen fest. Er gehe nach wie vor von zwei weiteren Zinssenkungen in diesem Jahr aus, wenn die Desinflation wie erwartet voranschreite. Man sei hier auf einem guten Weg. „Außerdem ist das Wachstum schwächer als erwartet, was ebenfalls für Zinssenkungen spricht.“ Im Juli hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf ihrer Pressekonferenz nach der Ratssitzung die nächste Zinsentscheidung im September als „völlig offen“ bezeichnet. Sie betonte, dass der geldpolitische Kurs von den aktuellen Daten abhängt, was Stournaras ähnlich sieht.

„Entscheidend ist, dass die eingehenden Daten, insbesondere zu den Löhnen, uns darin bestärken, dass die Inflation mittelfristig wieder auf das Zielniveau von 2 % zurückkehren wird“, sagte er. Wichtig seien auch die EZB-Prognosen im September zur weiteren Inflations- und Wachstumsentwicklung. „Wenn die Inflation wie erwartet weiter zurückgeht, wären schrittweise Zinssenkungen angemessen, um die wirtschaftliche
Dynamik zu stärken.“ jam

 

Das vollständige Interview mit Yannis Stournaras finden Sie hier in der deutschen Version und in der englischen Version.

Abonnieren Anmelden
Zur PLATOW Börse