Immobilien

Flughafenbau – Mit Stein auf Stein ist es längst nicht mehr getan

Nur 27 Tage vor der geplanten Eröffnung am vergangenen Sonntag wurde der Termin für den Betriebsstart des neuen Berliner Flughafens BER erneut um fast 10 Monate, also insgesamt knapp 17 Monate, verschoben. Peinlich ist das nicht nur für die Politik, Aufsichtsrat und Geschäftsführung, sondern vor allem auch für das mit den renommiertesten deutschen Büros besetzte Generalplanungs-, Projektsteuerungs- und Construction Management-Team sowie natürlich die Baufirmen.

Die Schuldzuweisung ging vom Aufsichtsrat schnell in Richtung der Planer und Bauüberwacher der Planungsgemeinschaft, die fristlos gekündigt wurde. Auch der für die Planung zuständige Geschäftsführer musste seinen Hut nehmen.

PLATOW hat sich im Background mit Thomas Herr, Geschäftsführer von Valteq, die sich selber als marktführendes technisches Beratungsunternehmen an der Schnittstelle von Immobilienwirtschaft, Finanzindustrie, Planungs- und Bauindustrie sowie Nutzern und Betreibern sieht, unterhalten. Für Herr sind die für die erste Verschiebung benannten Gründe – ein harter Winter, die Insolvenz der TGA-Planer in der Planungsgemeinschaft und geänderte Vorschriften zur Luftsicherheit – noch nachvollziehbar. Zudem sei die Verschiebung auch rechtzeitig erfolgt. Bei der zweiten Terminverschiebung wurde allerdings eine Fehleinschätzung deutlich, die über das konkrete Projekt hinaus für komplexe Bauvorhaben insgesamt bedeutsam sei, so Herr.

In vielen Köpfen, anscheinend auch der Profis, ist immer noch verankert, dass ein Bau fertig ist, wenn alle Teile am richtigen Platz montiert sind. Auch in Berlin wurden die Bauarbeiten weitgehend rechtzeitig abgeschlossen. Aber Großbauvorhaben sind für den Valteq-Manager heute eben nicht fertig, wenn alle Teile montiert sind. Der sich anschließende Ablauf der Inbetriebnahme mit seinen komplexen Prüfungs- und Einregelungsprozessen kann in weiten Teilen erst dann beginnen, wenn tatsächlich alle Bauarbeiten beendet sind. In der für die Endphase solcher Gebäudearbeiten typischen Geschäftigkeit einschließlich der mietereigenen Ausbauten ist das nicht möglich. Gleichzeitig wird dieser Prozess immer komplexer und aufwändiger.

Herr sieht als Lehren aus der Planungspleite, dass die Tendenz von Auftraggebern, bei Großvorhaben eigene Ad hoc-Projektorganisationen aus Interimsmanagern und Freelancern aufzubauen, fatal sei. Am Ende sei dies oft weder kostengünstiger noch schneller als ein klassischer Generalunternehmer. Dafür blieben die Auftraggeber aber allein in der Haftung. Ein eingespieltes Management könne durch Ad hoc-Teams nicht ersetzt werden. Die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) und insbesondere die Gebäudeleittechnik sind laut Herr das kritische Gewerk auf komplexen Großbaustellen. Diese müssen eng mit den Baugewerken koordiniert werden. Der Projektleiter sollte die Abläufe speziell der Gebäudeleittechnik wirklich verstehen. Die Konzentration der kompetenten Firmen habe zu einer Kräfteverschiebung von den Bauherren hin zu den ausführenden Firmen geführt. Das Zeitfenster für die Programmierung der Gebäudeleittechnik und die Inbetriebnahme ist meist zu knapp kalkuliert. Aber ohne gehe es nicht. Damit muss die Inbetriebnahme zur Chefsache des Projektleiters werden.

Vereinfachung und Verringerung der Komplexität und Abhängigkeiten muss in der Planung oberste Priorität bekommen. Kompliziert werde ein Projekt von alleine. Schwachstelle – hierfür steht z. B. die Kurzfristigkeit der Verschiebung – sei die Kommunikation zwischen Auftraggeber und allen Projektbeteiligten. Sie müsse offen sein und eine positive Fehlerkultur entwickeln. Dies sei nur mit eingespielten interdisziplinären Teams möglich.

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