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Freizügigkeit und Arbeitsmigration nach dem Brexit

Die britische Premierministerin Theresa May präsentierte kürzlich in einer Grundsatzrede einen 12-Punkte-Plan der Regierung zum bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Darin ist ein so genannter „harter Brexit“ vorgesehen. May wies darauf hin, dass Großbritannien keine Teilmitgliedschaft, assoziierte Mitgliedschaft oder – in ihren eigenen Worten – „irgendetwas, was uns halb drin, halb draußen lässt“ anstrebe. Nima Sarvari, Rechtsanwalt und Manager im Frankfurter Büro der Kanzlei Fragomen Global LLP, diskutiert mögliche Szenarien für die Arbeitsmigration von und nach Großbritannien nach dem Brexit.

Viel wird seit dem britischen EU-Referendum im Juni 2016 diskutiert. Für die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und einem nicht mehr zur EU gehörigen Großbritannien ist dabei die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern nach Art. 21 AEUV – insbesondere die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 45 AEUV – von zentraler Bedeutung. Mit besonderem Augenmerk auf deutsche Regelungen lassen sich aktuell vier Modelle der Freizügigkeit und Arbeitsmigration zwischen der EU und Großbritannien denken:

I. Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf ehemalige EU-Mitgliedsstaaten:
Die Personenfreizügigkeit als eine der vier Grundfreiheiten im Unionsrecht könnte durch Modifikationen der Art. 21 AEUV sowie Art. 45 AEUV erweitert werden, so dass Staatsangehörige ehemaliger EU-Mitgliedstaaten nach Austritt aus der EU weiterhin Freizügigkeitsrechte genießen. Dies könnte darin münden, dass nationale Regelungen im deutschen FreizügG/EU novelliert werden, so dass das Freizügigkeitsrecht ehemaliger Unionsbürger auf nationaler Ebene in Deutschland kodifiziert wäre. In Anbetracht der Aussagen führender EU-Politiker gerade in Bezug auf die Personenfreizügigkeit sowie der Sorge um mögliche Austritte weiterer EU-Mitgliedsländer, gilt es als eher unwahrscheinlich, dass eine solch „kulante“ Erweiterung umgesetzt wird.

II. Freizügigkeitsrecht durch Zugehörigkeit zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR):
Die freizügigkeitsrechtliche Gleichstellung von Staatsangehörigen und drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von EWR-Staaten ist nach deutschem Recht in § 12 FreizügG/EU geregelt. Diese Norm sichert Staatsangehörigen von Norwegen, Island und Liechtenstein hinsichtlich der Freizügigkeit eine Gleichstellung mit Unionsbürgern. Da Großbritannien selbst (noch) Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftraum ist, wäre es denkbar, dass unter geltender Vorschrift des deutschen FreizügG/EU auch nach dem Brexit britische Staatsangehörige freizügigkeitsberechtigt bleiben – unter der Prämisse, dass Großbritannien nicht aus dem EWR ausscheidet.

III. Bilaterales Abkommen – „Modell Schweiz“:
Gerade mit Blick auf die Äußerungen der britischen Regierung, die Zuwanderung stärker eigenverantwortlich reglementieren zu wollen, wäre ein Freizügigkeitsabkommen nach Vorbild des bilateralen Abkommens der EU mit der Schweiz eine Möglichkeit, um die Interessenlage der Verhandlungsparteien auszubalancieren und individualisierte Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine wesentliche Gleichstellung britischer Staatsangehöriger könnte durch eine entsprechende Regelung in der deutschen Aufenthaltsverordnung analog der Regelung für Schweizer Staatsangehörige aus § 28 AufenthV manifestiert werden.

IV. Privilegierungsmodelle – Visumfreiheit & Vereinfachung des aufenthaltsrechtlichen Verfahrens:
Sofern sich die EU und Großbritannien nicht auf eine fortbestehende Freizügigkeit einigen, wäre es denkbar, dass auf Grund der langjährigen EU-Mitgliedschaft Privilegierungsmodelle implementiert werden. Zum einen könnte die Visumfreiheit als Reglementarium kurzfristige Aufenthalte von bis zu 90 Tagen zu verschiedenen Aufenthaltszwecken vereinfachen. Zum anderen könnte diese Visumfreiheit dahingehend erweitert werden, dass selbst für langfristige Aufenthalte – auch zum Zwecke der Beschäftigung – kein Einreisevisum erforderlich ist und stattdessen das Verfahren zur Beantragung eines Aufenthaltstitels im Inland auch ohne Visum durchgeführt werden kann. Hierzu gibt es im deutschen Aufenthaltsrecht mit § 41 AufenthV bereits eine Regelung, die Staatsangehörige der USA und anderer kulturell, politisch und wirtschaftlich eng mit Deutschland verbundenen Länder begünstigt.

Fazit:
Die Frage, welches Modell die Freizügigkeit und die Arbeitsmigrationsmodalitäten regeln wird, ist in hohem Maße von den Verhandlungen und den jeweiligen Interessen der Verhandlungsparteien abhängig. Die Verhandlungen werden gewiss die machtpolitische Rollenverteilung und Balance im Europa der post-Brexit-Ära und mit Blick auf die Freizügigkeit den Diskurs innerhalb der EU beeinflussen. Auch außerhalb Großbritanniens lassen sich bereits jetzt vermehrt Tendenzen erkennen, eine schrankenlose und branchenunabhängige Arbeitnehmerfreizügigkeit bei hoher Arbeitslosigkeit in einzelnen EU-Staaten in Frage zu stellen. Zugleich haben Unternehmen ein Interesse daran, negative Auswirkungen auf ihre personellen und operativen Handlungsmöglichkeiten durch eine Einschränkung der Arbeitnehmermobilität zu vermeiden.
Über die Dauer der Verhandlungen ist mit Unsicherheiten und Übergangsregelungen, welche auf zeitlich befristeten Bestandsschutz zielen könnten, zu rechnen. Unternehmen sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen und etwaige Änderungen genau beobachten, um rechtzeitig reagieren zu können, da aufenthalts- und arbeitsgenehmigungsrechtliche Verfahren in besonderem Maße eine präzise, vor allem zeitliche Planung sowie entsprechende Ressourcen erfordern.

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