Immobilien-AGs – Aktionäre proben den Aufstand
Die HV machte auch noch einmal die Vernetzung der Old Boys Connection der ersten Generation der Immobilienaktien deutlich. Der neue Vorstandschef der GSW, Bernd Kottmann (55), dessen Ernennung unter Insidern schon mit Überraschung aufgenommen war, wurde schon nach kurzer Zeit von seiner Vergangenheit als IVG-Finanzvorstand der Milliardenvernichtungsphase eingeholt. Die Aktie geriet in den Sturzflug. Auf der HV hatte der niederländische Pensionsfonds PGGM, der ca. 140 Mrd. Euro verwaltet und in der Immobilien-Szene seit über 30 Jahren als seriöser Investor bekannt ist, einen Putsch angezettelt.
Auf der HV entzogen beachtliche 63,31% des anwesenden Grundkapitals Kottmann das Vertrauen. Das dürfte nach PLATOW-Erinnerung zumindest in der Immobilienszene beispiellos sein. Der Aufsichtsrat unter Vorsitz des ehemaligen IVG-Chefs Eckard John von Freyend, dem die umstrittene Berufung Kottmanns zugeschrieben wird, will sich in den nächsten Tagen zusammensetzen. Dabei sprang von Freyend selber nur ganz knapp von der Aktionärs-Kehrschaufel. Für die Abberufung von von Freyend als Aufsichtsratsmitglied stimmten 69,63% der Aktionäre. 75% wären erforderlich gewesen. Schade, dass die GSW, die eigentlich alles richtig gemacht hatte, in den Sumpf hineingezogen wurde. Aus der Börsen-Szene hören wir gleichwohl Genugtuung darüber, dass die Aktionäre sich endlich einmal nicht mehr alles gefallen lassen.
Der heutige IVG-Vorstand um Wolfgang Schäfers hat regelmäßig deutlich gemacht, dass die wahnsinnigen Investitionen der Vergangenheit das Unternehmen in die Krise gestürzt haben. 1993, auf dem Höhepunkt eines langfristigen Immobilienbooms speziell bei Gewerbe, ging die IVG unter von Freyend an die Börse. Das anschließende Wert- und Mietdesaster am Immobilienmarkt wurde von der Szene zunächst als Zyklus im Gefolge der Vereinigungskrise abgetan, entpuppte sich aber schließlich als tiefgreifende Markttransformation. In die von Freyend-Ära fiel die Basisentscheidung für das Squaire, das viele hundert Millionen Euro gekostet hat.
Das Milliardenloch gruben dann Wolfhard Leichnitz, der zum 1.7.2006 von Freyend ablöste, und Finanzvorstand Kottmann, der Anfang 2007 von dem eher zurückhaltenden Dirk Matthey das Finanzressort übernommen hatte, immer tiefer. Schon nach 100 Leichnitz-Tagen hatte PLATOW ihn als immobilienwirtschaftlichen Falschfahrer auf der Autobahn identifiziert. Aber die folgenden zwei Herrschafts-Jahre reichten für ein Milliardendesaster. Obwohl die Markttransformation auf dem Frankfurter Büromarkt längst evident war, zog Leichnitz nicht mit 25 Mio. Euro Minus beim Squaire den Stecker, sondern versenkte vielleicht eine knappe halbe Milliarde Euro durch seine Development-Großmannsucht mit dem Baubeginn auf einer Betonplatte, die ihm noch nicht einmal gehörte. Kottmann wiederum, den wir gerne mit „man muss das Momentum nutzen“ in Erinnerung behielten, gibt im Interview mit der „Immobilien Zeitung“ zu, dass die IVG vor seiner Zeit als Finanzvorstand konservativer aufgestellt gewesen sei. Aber man habe die Auflage eines großen Reit geplant, für den viele Immobilien auf Pump gekauft worden seien. Dann sei mit Lehman die Welt zusammengebrochen.
Übrigens hörten wir später von vielen Verantwortlichen, dass nur wenige Wochen gefehlt hätten, dann wäre „alles gutgegangen“. Kottmann sieht das heute als „in die Pflicht genommen“ an. Verantwortungsbewusstsein scheint wohl Fehlanzeige. Auf jeden Fall war es an der Zeit, dass Immobilienaktionäre, die mit vielen Aktieninvestments langfristig in der Gülle schwimmen, sich wehren. Hoffentlich setzt sich das am 30.8. bei der IVG-Hauptversammlung fort. Warum die heutige IVG-Führung zwar die Vergangenheit moniert, jedoch auf eine zivilrechtliche und behördliche Klärung verzichtet, bleibt schleierhaft. Umso bedauerlicher ist es aber auch, dass jetzt wieder Sippenhaft-Gefahr für die seriösen und gut gemanagten Immobilien-Aktiengesellschaften besteht.