Immobilien

IVG – Enteignung der Aktionäre fast perfekt

Auf der HV am 12.9. haben die Aktionäre der IVG nur noch die Wahl, wer sie enteignen darf: Gewiefte Hedge Funds oder der Insolvenzverwalter. Nach dem von den Anleihegläubigern und dem IVG-Vorstand ausgetüftelten Rettungskonzept verlieren die Aktionäre 99,5% ihrer Anteile. Zur Verlustdeckung soll das bestehende Grundkapital im Verhältnis 200 zu 1 auf 0,5% des bisherigen Grundkapitals herabgesetzt werden. Die Anleihegläubiger übernehmen de facto das Unternehmen.

Der Vorstand um Wolfgang Schäfers, der zuvor im Brustton der Überzeugung stets beteuerte, alle Risiken im Griff zu haben und das Unternehmen auf einem guten Weg sah, hat sich von den Hedge Funds, die sich mit Anleihen der IVG eindeckten, offensichtlich über den Löffel balbieren lassen. Auf der letzten HV hieß es noch als Antwort auf eine Aktionärsfrage: Aktuell erwarte die IVG keine wesentlichen Schwierigkeiten aus den Verlängerungen bzw. Rückzahlungen dieser Verbindlichkeiten, die bereits heute Bestandteil der Finanzplanung sind. Damit waren alle fälligen Anleihen inklusive der Wandelanleihe gemeint.

Grobe Fehleinschätzungen passieren, auch wenn es sich nicht um ein Lebenslauf-Highlight handelt. Gleichwohl wäre eine Aufbereitung der verlustreichen Zusammenarbeit mit Sal. Oppenheim, des wahnsinnigen Portfolioaufbaus zur späteren Platzierung an REIT-Aktionäre und der Entscheidungswege zur Realisierung des Squaire durch einen neutralen Experten oder Verwalter schon interessant. Schließlich hat das Squaire nach den auf der letzten HV offen gelegten Zahlen Wertberichtigungen ohne Folgekosten durch Sekundär-, Image- und Bonitätseffekte von 384 Mio. Euro bei Herstellungskosten von 1,236 Mrd. Euro verursacht. Eine Untersuchung wäre auch aus Sicht des aktuellen Managements, das sehr zurückhaltend mit Schadenersatzüberlegungen umgeht, auch vor dem Hintergrund der Kommunikationskatastrophe vielleicht zu empfehlen. Es wird sicherlich Aktionäre geben, die Haftungsansprüche und Aspekte der aktienrechtlichen Kommunikation engagiert überdenken werden.

Das PLATOW-Immobilienteam prophezeite an anderer Stelle vor zwei Wochen aus alter Sanierungserfahrung, dass „sowohl Liquiditätsbedarf als auch Wertberichtigungsbedarf sich als noch einmal deutlich höher herausstellen“ würden. Genau eine Woche später war es dann soweit. Die strategische Überprüfung sämtlicher Geschäftsbereiche und ihrer Wertansätze zum 30.6. habe einen weiteren Abschreibungsbedarf in Höhe von insgesamt ca. 350 Mio. Euro (HGB) ergeben, meldete die IVG. Damit bestehe ein Verlust von mehr als der Hälfte des Grundkapitals der Gesellschaft. Das Zusammenspiel von ungewöhnlichem Kursverlauf, obwohl die Analysten erst Wochen später ihre Beurteilung drehten, jetzt notwendigem Handlungszwang, der Vorbereitung der Übernahme durch Anleihekäufe von Hedge Funds und eine realitätsferne Kommunikation lassen manchen erfahrenen Analysten sehr nachdenklich werden.

Mit Blick zurück auf unsere eigenen Beobachtungen müssen wir, obwohl wir bis zum Schluss an die Seriosität und Stabilität der IVG geglaubt haben, leider feststellen, dass der Abstieg quasi mit Ansage erfolgte. In den 90er Jahren betrachteten wir die IVG auf Grund ihres strategischen Konzepts, alle immobilienwirtschaftlichen Aktivitäten einschließlich hochriskanter Projektentwicklungen zum Ausgleich von Chancen und Risiken unter einem Dach zu betreiben, als „Klumpatsch-AG“. Seit den 90er Jahren stehen wir der Rechtsform der Immobilien-AG und später des absehbar erfolglosen REIT kritisch gegenüber.

Den Teufelskreis einer Gewerbeimmobilien-AG, die qua Rechtsform kein Auffangnetz gegen fallende Märkte kennt, fassten wir zum Höhepunkt der Krise 2009 noch einmal zusammen: Das „Überleben“ in der direkten Krisenfolge sei alleine meist nur der Einstieg in eine mehrjährige finale Spirale aus Bewertungsverlusten, Abschneiden vom Kapitalmarkt, Vermietungsproblemen durch Konjunktur und fehlende Sanierungsfinanzierungsmöglichkeiten sowie daraus resultierenden Liquiditätsproblemen. 2007, auf dem Gipfel des IVG-Erfolgs mit Rekordgewinnen, monierte PLATOW die Bewertungspraxis, das Hochwerten gerade zum Zyklus-Höhepunkt gekaufter Immobilien und ihre geplante „Entsorgung“ in einem REIT.

PLATOW-Fazit: Mit den Folgen einer langfristig verfehlten Geschäftspolitik werden sich die Aktionäre auf der HV am 12.9. auseinandersetzen müssen. Noch gehört die Gesellschaft den Aktionären. Die Frage ist, ob die Großaktionäre wie die Familie Mann ihr Ausbooten kampflos hinnehmen werden. Schließlich haben sie Hunderte von Millionen Euro versenkt. Ist der Erhalt der letzten 0,5% unter Verzicht auf eine Aufklärung des Desasters wirklich den Gesichtsverlust wert?

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