Immobilien

IVG – Management „übersieht“ 2 Mrd. Euro Schulden

Seit Anfang März hat sich die Situation der IVG Immobilien für den Leser der offiziellen IVG-Berichterstattung um rd. 2 Mrd. Euro verschlechtert. Wir gehen nach wie vor von einer „Überraschung“ des Managements durch aktuelle, für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbare Entwicklungen aus. Denn sonst würde sich die Frage nach dem Sinn der aktienrechtlichen Informationspflichten und nach der Verantwortung von Vorstand und Aufsichtsrat stellen.

06. Juni 2013

Die Fakten laut IVG: „Ergebnis der bisherigen Prüfung ist, dass IVG ihre bestehenden Verbindlichkeiten um bis zu 1,35 Mrd. Euro sowie um weitere 400 Mio. Euro (Hybridanleihe) reduzieren muss, um ihren Verschuldungs- und Zinsdeckungsgrad auf ein marktübliches Niveau zu bringen und somit wieder nachhaltig kapitalmarktfähig zu werden. In diesem Zusammenhang sind weitere Wertanpassungen bestimmter Bilanzpositionen in noch nicht bestimmter Höhe wahrscheinlich.“

Laut „Immobilien Zeitung“ schätzt Baader Bank-Analyst Andre Remke den Abwertungsbedarf für Bestandsimmobilien, Kavernen und Projekte auf 240 Mio. Euro. Das summiert sich dann auf 2 Mrd. Euro „Erkenntnis-Differenz“ zum Stand Anfang März dieses Jahres – bei einem Management, das auch schon die vorherige Sanierungsphase nach der Finanzkrise gemanagt hat und am 5.3. die komplette Altlastenbeseitigung meldete. Zur Einordnung des Überraschungseffekts: Das entspricht rund einem Drittel der Bilanzsumme von knapp 6 Mrd. Euro und ist deutlich mehr als das Eigenkapital zu Buchwerten von ca. 1,23 Mrd. Euro.

Der aktuelle Refinanzierungsplan sieht für die einzelnen Kreditgeber insbesondere eine Sachkapitalerhöhung gegen Einlage von Bankkrediten (SynLoan I) sowie Wandel- und Hybridanleihen (Debt/Equity-Swap) vor, um die Finanzmarktfähigkeit wieder herzustellen. Nach Einschätzung von Remke wird dieser Debt-to-Equity-Swap darauf hinauslaufen, dass hinterher die Gläubiger die Hauptaktionärsgruppe der IVG stellen und den Altaktionären eine heftige Verwässerung ihrer Anteile droht. Das Bankhaus Lampe hatte das Kursziel für die IVG-Aktie in Erwartung eines Debt/Equity-Swap schon Gründonnerstag auf 0,20 Euro gesenkt (PLATOW Immobilien vom 5.4.). Verwunderlich ist indes die scheinbare Ruhe des Großaktionärs Familie Mann.

PLATOW-Fazit: Es fragt sich immer noch, was seit Anfang März geschah, das die positiven Perspektiven des Berichtswesens so zerlegte. Natürlich waren Prolongationsnotwendigkeiten bekannt, doch die wurden von der IVG stets als beherrschbar dargestellt. Auch gelang es anderen Immobiliengesellschaften wie der Gagfah, ähnliche Probleme elegant und schweigsam zu lösen. Damit bleiben neben der Kompetenz- und Verschleierungsfrage nur wenige Erklärungen. Durch einen Forderungsverkauf an Hedge Funds könnten die Banken kurzfristig die Reißleine gezogen haben. Man wolle mit nichts mehr etwas zu tun haben, auf dem IVG draufstehe, hörten wir von mehreren Seiten. Dies entspricht dann auch unserem klassischen Szenario, das wir seit den 90ern beobachten und 2008/09 für Immobilien-AGs herausarbeiteten. Die Krise könne leicht in einen Circulus Vitiosus führen, der dann zum Exitus führe, wenn sich Banken die Abschreibungen wieder leisten können. Wir erwarteten das für 2012/13 und waren bisher positiv überrascht. Die Wohnungs-AGs haben sich im Wohnungsboom besser gehalten als die Gewerbe-AGs der Vergangenheit. Andere Immobiliengesellschaften wie die DIC Asset setzten auf eine seriöse Bewertung und erstklassiges Management, während die IVG seit den 90er Jahren mit dem Squaire und speziell in der Ära unter Wolfhard Leichnitz Maßstäbe an Sportlichkeit setzte.

Es bleibt dann noch die Frage nach der Informationssituation. Hier könnte das Finanz-Management vor der tragischen Wahl gestanden haben, durch Risikoerwähnung die Situation zu verschlechtern oder das dramatische Kreditrisiko zu verschweigen. Das gefährliche Kreditverkaufsrisiko müsste aber seit dem NPL-Boom ab 2004 dem Management bekannt sein. Da war der Finanzvorstand aber noch Steueranwalt, der am Reit-Gedanken seine Karriere aufbaute und auch dabei realitätsfern landete. Vermutlich war aber das gutmeinende IVG-Management der irrigen Auffassung, durch anständiges „operatives“ Geschäft die Kreditgeber überzeugen zu können. Irren ist menschlich. Auf jeden Fall war der dümmste Sonder-AfA-Anleger in den abgezocktesten Geschlossenen Immobilienfonds noch besser dran als der Aktionär bei Deutschlands einstiger Vorzeige-Immobilien Aktiengesellschaft.

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