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„Kehrtwende in den USA bei CO2-Haftungsklagen“

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Nicht erst seit der Umweltkatastrophe durch austretendes Öl im Golf von Mexiko beschäftigt die Umwelthaftung die Rechtsexperten. Der Klimawandel findet über CO2-Haftungsklagen hingegen erst seit Kurzem Eingang in die rechtliche Diskussion. Im Gespräch mit PLATOW Recht erläutern dies Sebastian Lach (Partner) und Hannah Morbach (Associate), Spezialisten für Haftungsfragen im Münchener Büro von Hogan Lovells.

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Wer haftet im Allgemeinen für Umweltschäden?

Lach: Zum speziellen Fall im Golf von Mexiko kann ich natürlich keine Aussage treffen. Dafür muss dieser Sachverhalt erst umfassend aufgearbeitet werden, damit wir auch die Hintergründe und Ursachen besser verstehen. Im Allgemeinen gilt im europäischen Umweltschadensrecht, dass ein Unternehmen dann haftet, wenn eine „Umwelteinwirkung“ – also eine Art Störfall – vorliegt und diese für einen Schaden ursächlich wird. Ein Verschulden der Unternehmen wäre hingegen nicht zwingend erforderlich. Dabei ist auch die Haftung einzelner Personen nicht ausgeschlossen, wenn sie eine notwendige Ursache für den Schaden gesetzt haben. Selbst der Staat könnte in Anspruch genommen werden, da er Genehmigungen erteilt, die Grundvoraussetzung für das Betreiben einer Anlage sind.

Wie ist die Gesetzeslage in Deutschland?

Morbach: In Deutschland bestimmen zwei Gesetze das Geschehen maßgeblich: Erstens das Umwelthaftungsgesetz, nach dem ein Anlagenbetreiber verschuldensunabhängig dafür haftet, wenn einem Dritten durch Umwelteinwirkungen seiner Anlage Schäden entstehen. Dies umfasst bspw. durch Abgase verursachte Erkrankungen. Zweitens das Umweltschadengesetz, das die öffentlich-rechtliche Haftung regelt. Hierbei geht es um die Umweltschäden selbst. D. h., es wird kein Schadenersatz im engeren Sinn gezahlt, sondern es geht um die Sanierung und den Ausgleich der eingetretenen Schäden. Im Gegensatz zu den USA gibt es hierzulande aber keine Strafzahlungen (Punitive Damages). Dadurch unterscheidet sich die Gesetzeslage in Deutschland in Bezug auf die Schadenshöhe massiv.
Lach: Auf Grund der in den USA möglichen Sammelklagen (Class Action) ist auch der Druck, der auf Unternehmen ausgeübt werden kann, deutlich höher als in Europa.

Jetzt haben die ersten US-Berufungsgerichte auch Haftungsfragen im Zusammenhang mit dem Klimawandel als justiziabel eingestuft. Worum ging es konkret?

Morbach: Der Fall Ned Comer gegen Murphy Oil USA ist einer der bekanntesten Fälle in diesem Zusammenhang. Er bezieht sich auf den Hurrikan Katrina, durch den das Haus des Klägers Ned Comer zerstört wurde. Ned Comer reichte zusammen mit einer Vielzahl weiterer Kläger eine Sammelklage gegen Unternehmen der Öl-, Chemie- und Kohleindustrie ein, darunter u. a. Shell, BP und ExxonMobil. Die erste Instanz wies die Klage mit der Begründung ab, durch den Klimawandel hervorgerufene Schäden seien Sache des Gesetzgebers. Zur Überraschung aller gab das Berufungsgericht im Oktober vergangenen Jahres aber der Berufung statt und hob das erstinstanzliche Urteil auf. Es handele sich nicht um rein politische Fragen, sondern um einen Sachverhalt, mit dem sich die Justiz auseinandersetzen müsse. Die Entscheidung führte zu einer Kehrtwende bei Haftungsfragen im Zusammenhang mit dem Klimawandel.

Lach: Das Urteil führt insbesondere dazu, dass sich nun nicht nur der Kongress auf politischer Ebene mit dem Klimawandel auseinandersetzen muss, sondern im Rahmen von Gerichtsverfahren auch Jurys einbezogen werden. Die Jurymitglieder können dann bspw. auch aus Bundesstaaten stammen, in denen der Hurrikan gewütet hat. Man kann nicht ausschließen, dass Jurys die Sachlage anders bewerten als der Kongress.

Welche Probleme stellen sich aus rechtlicher Sicht?

Lach: Es stellen sich erhebliche Kausalitätsprobleme, da z. B. noch immer nicht geklärt ist, ob und wie weit der Klimawandel auf industriellem CO2-Ausstoß beruht. Zudem müsste bewiesen werden, dass der Klimawandel tatsächlich der entscheidende Faktor für das jeweilige Ereignis war. Und schließlich müsste man nachweisen, dass gerade der CO2-Ausstoß eines Beklagten zu dem konkreten Klimaereignis geführt hat. Im Produkthaftungsrecht in den USA wird diskutiert, derartige Fragen über die sog. Market Share Liability zu klären, wonach der zu ersetzende Schaden nach Marktanteilen anteilig bemessen würde. Eine Übertragung dieses Modells dürfte in der Praxis allerdings schon an der Aufgabe scheitern, den Anteil des ausgestoßenen CO2 des Beklagten am Gesamt-CO2-Ausstoß zu ermitteln. Und selbst wenn diese Hindernisse überwunden wären, müssten die Unternehmen einwenden dürfen, dass ihr Verhalten zum fraglichen Zeitpunkt gesetzlich erlaubt war.

Wie werden sich diese Klagen in Deutschland entwickeln?

Morbach: Wir beobachten eine Tendenz, dass Umweltthemen auch rechtlich stärker in den Vordergrund treten. So hat das Verwaltungsgericht Berlin einem Restaurantbetreiber im vergangenen Jahr untersagt, einen Heizpilz aufzustellen. Das Gericht hielt es für unerheblich, ob dieser einen messbaren Einfluss auf den Klimawandel hat. Das globale Ziel des Klimaschutzes erfordere für seine Umsetzung lokales Handeln.

Lach: Der Klimawandel wird bei rechtlichen Auseinandersetzungen sicherlich eine größere Rolle spielen. Unseres Erachtens gibt es aber momentan keine Rechtsgrundlage für eine Haftung von Unternehmen für allgemeine Folgen des Klimawandels.

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