Branchentreff

Mipim wird zur Findungsmesse

Die Mipim 2023, Europas internationalste Immobilienmesse mit der längsten Tradition, gibt wohl das erste „echte“ Stimmungsbild des Jahres. In stimmungsabhängigen Branchen können Messen Wendepunkte setzen. Auf der Expo Real im Oktober realisierte die Branche erstmals, dass die Delle lästig werden würde.

Der PLATOW-Analyse einer Niveautransformation mit 20 bis 30% Bewertungsrisiko, die sich einfach nur aus der Bewertungs- und Finanzmathematik ergab, folgte da noch kaum jemand. Nach ersten, meist nicht zitierbaren Backgroundgesprächen zu Hause und in Cannes gewinnen wir den Eindruck, von einigen ernstzunehmenden Marktteilnehmern in der Einschätzung rechts überholt zu werden. LTVs von 50% mit Bewertungsnachschusspflicht machen in Bankenkreisen die Runde. Ansonsten herrsche Neufinanzierungs-Totentanz. Am Dienstag zeichnete Publity-Aufsichtsrat Thomas Olek im Frankfurter Wirtschaftsclub ein unterhaltsam apokalyptisches Bild für die Branche, das sicherlich überpointiert, aber durchaus plausibel auf eine lange Flaute einstimmt. Die Mipim könnte jetzt einen weiteren Wendepunkt in die auf Euphorie-Phasen immer folgende Depression einläuten. Bei Redaktionsschluss hatten wir aber erst das Stimmungsbild des Vorabends und des ersten Messetages.

Die Mipim zieht vom 14. bis 17.3. mehr als 23 000 Teilnehmer aus 90 Ländern an. Rund 6 000 Investoren sollen sich an der Croisette präsentieren (+15%). Vor einem Jahr zählte der Ukraine-Krieg rund drei Wochen. Russland war ausgeladen. Der Ukraine-Stand wurde als Ausdruck der Solidarität hoch frequentiert. Welche volkswirtschaftliche Konsequenzen noch folgen sollten, ahnten wohl die Wenigsten. „Irgendwie stand der weiße Elefant da schon im Raum, so Catella-Chefresearcher Thomas Beyerle. „Doch die Schnelligkeit und Wucht, mit der er dann das gesamte volkswirtschaftliche Porzellan zerdepperte, war wenig antizipierbar“. Im Vergleich zur letzten krisenfreien Mipim 2019 schrumpfte die Anzahl der Teilnehmer um 12%. Die Anzahl der Aussteller ging sogar um deutliche 40% auf aktuell 2 400 Aussteller zurück. Die freien Flächen kaschierte die Messe geschickt durch großflächige Meeting-Points und Networking-Bereiche.

ESG war Thema des Tages. Die am Dienstag im EU-Parlament beschlossene „Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie“ beinhalte die Gefahr der Überforderung. Im stillen Background gab es wenig Gegenrede zur PLATOW-These eines weiteren Schrittes in den energetischen Illusionismus. Wie BIMA-Chef Christoph Krupp schon im vergangenen Jahr deutlich machte, führen zu hohe Regulierungsanforderungen zu immer geringerer Beachtung. Auch heute scheint Fatalismus einzuziehen. Alle wissen, dass es auf der „Road to Zero“ noch sehr viel zu tun gibt. Allerdings scheinen die Überlegungen in der aktuellen Gemengelage kollektiv vertagt worden zu sein. Jetzt gelte es zunächst, die Kalkulationen an das neue Zinsniveau und die neuen Bewertungen anzupassen und die Geschäftsmodelle zu retten, so die Branche.

Die Preisfindungsphase halte an und dürfte auch noch eine Weile andauern. Mindestens zwei Zinsschritte erwartet LBBW-Vorstand Thorsten Schönenberger noch für dieses Jahr. Langfristig werde sich ein Zinsniveau von 3,75 bis 4% einspielen. Das dürfte viele Kalkulationen aus der „Null-Zins“-Ära zerlegen. Die Pleiten der Silicon Valley Bank (SVB) und der Signature Bank waren zwar Thema, wurden jedoch nicht dramatisch gesehen. Sie zeigen aber die Gefahren des abrupten Zinswechsels für bestehende Geschäftsmodelle auf.

Marcus Lemli, Savills-CEO Germany, sieht wie übrigens auch PLATOW seit der Zinswende vorrechnete, einen Paradigmenwechsel statt einer Zykluswende. Für die Immobilieninvestmentmärkte breche eine neue Zeitrechnung an. Ulrich Höller, Chef des Gewerbeimmobilienentwicklers ABG, sieht positive Signale. „Dennoch bewegen wir uns langsam, aber sicher auf eine Trendwende zu.“ Die wünschte PLATOW sich allerdings auch, wenn wir die Projektentwicklungsherausforderungen der ABG zu meistern hätten. Klaus Franken, Geschäftsführer der Catella Projektmanagement, meint, wenn selbst Dreißigjährige den „guten, alten Zeiten“ nachtrauerten, wisse man, dass in der erfolgsverwöhnten Branche etwas falsch laufe. Das „Gift des billigen Geldes“ habe lange den Blick auf die immobilienwirtschaftlichen Realitäten verstellt. Vollbeschäftigung, Mietsicherheit, steigende Nutzernachfrage, gute Kaufkraft und steigende Einkommen seien aber eine stabile Basis für eine Aufbruchstimmung in eine neue Realität.

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