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Mittelstandsanleihen – Ein Markt wird erwachsen

Die Platzierung von Anleihen in den neuen Mittelstandssegmenten der verschiedenen deutschen Börsenplätze hat sich als anerkanntes Mittel zum Zwecke der Unternehmensfinanzierung etabliert. Nachdem sich der anfänglich fast leichtsinnige Überschwang gelegt hat, tritt nun der Anlegerschutz zunehmend in den Vordergrund. Die Kapitalmarktrechtsexperten Thorsten Kuthe und Madeleine Zipperle aus dem Kölner Büro von Heuking Kühn Lüer Wojtek haben in den letzten zwölf Monaten seit Erwachen des Marktes dessen Entwicklung durch die beratende Begleitung einer Vielzahl von Unternehmensanleihen mitgestaltet. Ein persönlicher Erfahrungsbericht.

21. September 2011

Ein Jahr ist es her, seitdem die deutsche Börsenlandschaft durch die Geburt der neuen Segmente für Mittelstandsanleihen umgewälzt wurde. Nach einem kompetitiven Start der neuen Handelsplattformen – in Deutschland bieten nunmehr gleich fünf Börsenplätze eigene Mittelstandssegmente an – und euphorischer Annahme seitens der Anleger wurden auch Bedenken um eine Entwicklung ähnlich derjenigen des Neuen Marktes laut (vgl. u. a. PLATOW Recht Nr. 137 aus 2010 „Unternehmensanleihen – The next big thing?“). Überhitzung und Crash sind indes ausgeblieben. Stattdessen etablieren sich inzwischen erste Standards des Investorenschutzes. Die Emittenten reagieren so auf zunehmend kritische Anleger. Während sich zu Anfang nahezu beliebige Anleihen ohne Fragen nach Sicherheiten oder anderen Qualitätsmerkmalen an den Mann (privat wie institutionell) bringen ließen, verlangen Investoren nun immer häufiger Besicherung und Schutzklauseln (sog. Covenants) in den Anleihebedingungen.

Der individuellen, an der wirtschaftlichen Situation des jeweiligen Emittenten ausgerichteten Ausgestaltung der Covenants kommt für alle Beteiligten eine besondere Bedeutung zu. Diese Klauseln, die bei großen Anleiheemissionen im Hochzinsbereich längst zur Basisausstattung gehören, sichern dem Anleger z. B. Kündigungsrechte für den Fall des Eigentümerwechsels beim Emittenten. So kann der Anleger durch eine „Change of Control-Klausel“ bei grundlegender Veränderung auf Seiten des Emittenten die Notbremse für sein finanzielles Engagement ziehen. Eine weitere beliebte Klausel ist die „Negativerklärung“. Durch sie versichert der Emittent, zukünftigen Gläubigern entweder gar keine Kreditsicherheiten zu überlassen oder lediglich dann, wenn auch den Gläubigern der Anleihe gleichwertige Sicherheiten überlassen werden. Die „Drittverzugsklausel“ räumt den Anleihegläubigern das Recht zur Kündigung und Fälligstellung der Anleihe für den Fall ein, dass der Emittent mit der Erfüllung seiner Verpflichtungen Dritten gegenüber in Verzug geraten ist. Bei der Vereinbarung einer „Verschuldungshöchstgrenze“ entsteht durch ein Überschreiten des festgelegten Maximums ebenfalls das Recht zur Kündigung zu Gunsten der Anleger.

Konditionen der Mittelaufnahme

Inzwischen sind rund 30 mittelständische Emittenten in den neuen Anleihesegmenten aktiv. Die Vorteile der Fremdkapitalaufnahme über die neuen Mittelstandssegmente liegen für die Unternehmen auf der Hand: Für den Mittelstand passende Volumina, zu anderen Finanzierungsarten vergleichbare Kosten und insbesondere die verlockende Unabhängigkeit von den Banken haben im letzten Jahr zahlreiche Gesellschaften zur Begebung einer Anleihe bewegt. Bei einer durchschnittlichen Emissionssumme von 55 Mio. Euro und einem Zinscoupon von rund 7% kann der Kapitalbedarf mittelstandsgerecht gedeckt werden. Die Kosten der Emission belaufen sich dabei im Schnitt auf etwa 4% des Emissionsvolumens. Der Kostenanteil der verschiedenen Börsen unterscheidet sich hierbei ebenso wie deren Leistungen – z. B. im Rahmen der Platzierung oder bei der technischen Abwicklung. Auch variieren die jeweiligen Anforderungen an die Ausgestaltung der Emission und die Pflichten der Emittenten.

Unternehmensbewertung mittels Ratingbericht

Neben Covenants, Coupon und ggf. Sicherheiten hat sich ein gutes Abschneiden im Ratingprozess als notwendig in der Vermarktung erwiesen. Üblich ist eine Bewertung durch nationale Agenturen. Ein Trend zur Bewertung der Anleihen durch international anerkannte Ratings der großen Agenturen ist bislang nicht erkennbar. Nur ein Emittent wählte bisher diesen Weg. Dies mag daran liegen, dass es den international operierenden Agenturen an der nötigen Erfahrung einschließlich Datenbasis für die Bewertung von Unternehmen des deutschen Mittelstands fehlt bzw. umgekehrt die Unternehmen nicht darauf vorbereitet sind, ausschließlich englischsprachigen Teams ihre Gesellschaftsunterlagen aufzubereiten.

Ausblick

Der Markt für Mittelstandsanleihen ist nach dem fulminanten Start 2010 weiter auf solidem Wachstumskurs. Dabei setzen sich bei neuen Emissionen zunehmend Besicherungs- und andere Gläubigerschutzklauseln durch. Für die Zukunft ist mit einer weiteren Verbreitung dieser Standards zu rechnen. Das Ratingergebnis wird mit der kontinuierlich ansteigenden Zahl neuer Emittenten, die um die Anlegergunst auf dem aktuell gesättigt scheinenden Markt buhlen, weiter an Bedeutung gewinnen. Es dürfte kein Zweifel mehr bestehen, dass die neuen Anleihesegmente im Begriff sind, sich als fester Bestandteil der Finanzierungslandschaft für den Mittelstand zu etablieren.

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