Immobilien

OIF-Bewertungen – Zahlen klaffen auseinander

Die durchschnittliche Wertänderungsrendite der Offenen Publikums-Immobilienfonds (OIF) belief sich lt. Ratinagentur Scope 2016 auf nur 0,6%. Die Gutachter der Offenen Immobilienfonds müssten derzeit einen Spagat vollziehen, um die Portfolio-Immobilien möglichst konservativ zu bewerten und dabei die aktuell hohen Ankaufspreise für neue Objekte zu bestätigen.

Der OIF-Vergleich mit den seriös ermittelten Performance-Indizes der Maklerhäuser bereitet uns Kopfzerbrechen. Schließlich weist der renommierte JLL-Performance-Indikator Victor für 2016 eine Wertänderungsrendite von stolzen 15,6% für Prime Office in den deutschen Top-Metropolen aus. Das ist das 25-fache des ermittelten Durchschnittswertes der Offenen Immobilienfonds. Das PLATOW Special Immobilien (24 S., Abonnentenpreis 34 Euro, Bestellung: platow@vuservice.de) beleuchtet das Thema faktischer Fonds-Renditen im Vergleich mit Performance-Indizes ausführlich.

Ein Blick auf die vergangenen fünf Jahre und die Gesamtrenditen unter Berücksichtigung der Mietrenditen verdeutlicht die Lage. Victor weist in dem Zeitraum rd. 58% Performance aus. Die Performance-Daten der Offenen Immobilienfonds, deren Portfolien den Immobilienqualitäten des Victor am nächsten kommen, weisen dagegen als Performance einer thesaurierenden Einmalanlage 12,3% bzw. 2,3% p.a. aus (BVI, Stand 31.3.). Der vielleicht bessere VergleichswertOFIX Deutschland der IPD für Publikums-OIF kommt auf 2,7%.

Der Unterschied ist gewaltig und macht nachdenklich. Die Gründe liegen nicht nur bei Bewertungsaufgaben, sondern auch im Auslandsanteil und der Liquidität der OIF. Weiterhin sind in OIF echte Immobilien mit Werteverzehr, Sanierung, Instandhaltung, Lebenszyklen sowie alternden Mietverträgen enthalten, während der Victor-Index die immer neue Immobilie mit aktuellen Marktmieten und aktuellen Marktrenditen multiplikativ verknüpft. Gleichzeitig spricht die geringe Wertänderungsrendite der OIF für seriöse und vorsichtige Wertermittlungen, die schließlich weder einen Notverkauf noch den „größten anzunehmenden Deppen““ (GAD) als potentiellen Käufer berücksichtigen können. Der Markt tendiere im Moment eher zum teuren Ende der Notverkaufs-/GAD-Preisskala.

Am Fall Patrizia hat PLATOW aufgearbeitet, was dies für die Praxis bedeutet. Die Fakten: Patrizia hatte zu 95,4 Mio. Euro, bei einem von zwei UBS-Gutachtern bestätigten Verkehrswert von 83,2 Mio. Euro, eine Immobilie erworben. Der Jahresbericht der UBS datierte per August 2016. Per Ende 2015 wurde übrigens nur ein Wert von 80,8 Mio. Euro ausgewiesen. Der hohe Kaufpreis der Patrizia-Anleger ist sicherlich dem Markt geschuldet. Nachdenklich macht aber, dass per August  beide unabhängigen UBS-Bewerter zu fast gleichen Verkehrswerten kamen. Zwei Monate später kamen ebenfalls zwei völlig unabhängige Patrizia-Bewerter zu fast identischen Werten von rd. 96,5 Mio. Euro und bestätigten so einen guten Einkauf unter Verkehrswert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! So wird an einem Praxisbeispiel deutlich, wie die Einschätzungen des Marktes derzeit auseinanderklaffen können.

Erinnerungen an 2004 kommen hoch. Damals sorgten „Einwertungsgewinne““ für mediales Aufsehen und Bewertungsanpassungen. Ernsthaft ist aber darüber nachzudenken, dass die Vollprofis der Bewerterszene derzeit eher vorsichtig auf die Marktentwicklung blicken. Das macht die Scope-Recherche deutlich. Die Werte der Immobilienportfolios bewegten sich trotz boomender Immobilienmärkte kaum. 2016 wurden die durchschnittlichen Netto-Mietrenditen und Wertänderungsrendite durch Steuern, Aufwendungen für Fremdkapital und unverzinste Liquidität auf durchschnittlich 3,3% Fondsperformance gedrückt. So blieb dem Anleger eine Rendite von 2,4%. Grund sei vor allem die konservative Bewertungspraxis. Der Fall Patrizia zeigt, was das in Zahlen heißt. Hier liegen die jeweils doppelt ermittelten und jeweils identischen Gutachterwerte knapp 16% auseinander. Das wirft Fragen zur Kommunikation zwischen Auftraggeber und Bewerter auf.

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